Ausrüstungstipps: Kletterschuhe
Kletterschuhe bilden in der Regel um die 50 % der Kontaktfläche, die wir beim Klettern mit dem Fels haben. Entsprechend wichtig ist es, für die jeweilige Art der Kletterei einen angemessenen Kletterschuh zu wählen. Den umfassenden Alleskönner, mit dem sich jedes Kletterproblem vom Drei-Zug-Boulder bis hin zur hochalpinen 20 Seillängenroute optimal lösen lässt, gibt es nicht – oder wenn, sollte man ihn seinen Füßen nicht zumuten.
Grundsätzlich ist es wie bei allen Schuhen extrem wichtig, neue Kletterschuhe in Ruhe zu probieren. Das ist aber oft gar nicht so einfach, da nur sehr wenige Spezialgeschäfte ein ausreichend großes Sortiment vorrätig haben. Bei mir in Rosenheim bleibt nur der Gang zum Bergsportspezialisten Montagne-Sport, in größeren Städten ist das Angebot aber sicher etwas reichhaltiger. Eine interessante Möglichkeit ist die Produktsuche bei Locafox, wo sich unter anderem auch Kletterschuhe für beliebige Orte in der Umgebung finden lassen. Derzeit (2014) ist das Angebot noch recht neu und es bleibt zu hoffen, dass sich bald weitere Händler anschließen. Wer Beratung benötigt, hat bei einem Fachhändler grundsätzlich die besten Karten. Allerdings hängt es dort sehr von der Kompetenz des Verkäufers und – falls dieser selbst Kletterer ist – von seinen persönlichen Kletterschuh-Favoriten (die nicht unbedingt jedermanns Sache sein müssen) ab, welche Meinung man zu hören kriegt. Besonders in größeren Läden spielen zudem gelegentlich Vorgaben der Geschäftsleitung eine Rolle, welche Ware man empfohlen bekommt. Im Folgenden nun Tipps aus der Anwendersicht, worauf man im Einsatz für die verschiedenen Sparten des Klettersports hinsichtlich der Kletterschuhe achten sollte. Letztendlich wird aber immer die Passform den entscheidenden Ausschlag geben, wie gut man mit einem Schuh klettern kann.
Lange, alpine Klettereien
In alpinen Kletterrouten sollte man relativ selten ans persönliche Kletterlimit gelangen, weshalb die Performance des Schuhs ist weniger entscheidend als bei grenzwertiger Kletterei. Wichtig ist dafür der Faktor Zeit (Schuhe am Stand aus- und wieder anziehen kostet viel davon) und Bequemlichkeit (ein langer Abstieg nach der Tour macht mit vorgeschädigten Zehen noch weniger Spaß). Je nach Schwierigkeit und persönlichem Kletterkönnen kann man solche Touren evtl. sogar mit einem klettertauglichen Zustiegsschuh absolvieren. Meistens wird man aber einen sehr bequemen Kletterschuh mit keiner oder wenig Vorspannung wählen, den man oft auch mit Socken trägt. Meine Favoriten dafür sind derzeit bei Kletterei bis zum 3. oder max. zum 4. Grad der Zustiegsschuh Scarpa Zen und für Klettereien ab dem 4. Grad der La Sportiva Mythos (meist mit Socken).
Schwierige Mehrseillängenrouten
Alpines Sportklettern oder Mehr-Seillängen-Sportklettern in Talnähe, wo man nicht nach jeder Seillänge wieder bequem am Wandfuß in die Sandalen schlüpfen kann, erfordert einen Kompromiss aus bequemen Alpinpatschen und leistungsfähiger Sportkletter"waffe". Hinsichtlich der Kletterleistung wird man oft schon eher an sein klettertechnisches Limit gelangen wie bei den richtigen Alpinklettereien. Eine gute Möglichtkeit ist es, seinen Lieblingssportkletterschuh eine halbe Nummer größer zu nehmen als beim Sportklettern – oder den nutzen, der sich nach einiger Zeit schon deutlich geweitet und an den Fuß angepasst hat. Trotzdem eignen sich stark vorgespannte Schuhe hierfür meiner Ansicht nach eher weniger. Da dieser Routentyp aber i.d.R. nur erfahrenen Kletterern empfohlen werden kann, macht es wenig Sinn persönliche Ratschläge zu geben, da Kletterer auf diesem Level meist genug Erfahrung haben, sich ihr Schuhwerk auszusuchen. Meine Favoriten sind in dieser Kategorie der La Sportiva Mythos etwas enger (und in jedem Fall ohne Socken) als bei alpinen Routen oder alternativ der Scarpa Vapor.
Sportklettern
Beim Sportklettern steht das Erzielen maximaler Schwierigkeiten (auf sein persönliches Leistungsniveau bezogen) im Vordergrund. Entsprechend optimal sollte der Kletterschuh sowohl zur Fußform und zum Kletterstil, aber auch zum Fels passen. Vielkletterer haben daher am besten immer mehrere Kletterschuhe parallel in Benutzung. Das erhöht nicht nur die Performance bei unterschiedlichen Felsstrukturen, sondern belastet auch die Füße und Zehen weniger einseitig als wenn sie regelmäßig und häufig in den selben Kletterschuh gequetscht werden. Zudem schult es die Fußtechnik, wenn man in leichteren Routen zum Beispiel beim Aufwärmen und Ausklettern mit einem weniger vorgespannten und nicht ganz so engen Kletterschuh unterwegs ist.
Je nach Felsstruktur können sehr unterschiedliche Eigenschaften der Schuhe ihre Vorteile ausspielen. Während in steilem Gelände weiche Konstruktionen das "Greifen" von Tritten erlauben, steht man mit härteren Schuhen in senkrechtem oder leicht geneigtem Fels kraftsparender und länger. Stark aufgestellte Zehen helfen ebenfalls Kraft zu sparen, aber wer viel in Schuhen ohne Vorspannung klettert, trainiert seine Fußmuskulatur besser. Auch das "Schleichen" auf Reibungsplatten geht besser und bequemer mit einem wenig vorgekrümmten Kletterschuh. Asymmetrische, spitz vorne zulaufende Schuhe ermöglichen besonders das Antreten in kleinen Löchern. Steile, trickreiche Routen, die eine ausgefeilte Hooktechnik erfordern, oder kurze, besonders fußtechnische Stellen aufweisen, lassen sich oft mit einem sehr präzisen, meist stark vorgekrümmten Boulderschuh mit asymmetrischem Leisten leichter bewältigen. Allerdings leidet darunter der Komfort mehr oder weniger stark, weshalb solche Schuhe eher etwas für den finalen Durchstiegsversuch sind als für den Dauergebrauch. Meine Favoriten sind der Scarpa Vapor und der RedChilli Spirit.
Bouldern
Ehrlich gesagt bin ich selbst zu wenig Boulderer, um mich wirklich umfasend mit den vielen und oft sehr speziellen Kletterschuhmodellen befasst zu haben, die angeblich noch präziseres Antreten und perfekte Kraftübertragung auf den Fels ermöglichen. Bei meinen wenigen Tests von typischen Boulderschuhen ist mir einerseits aufgefallen, dass insbesondere diverse Hooktechniken damit sicherer durchführbar sind. Um einen Unterschied in der Kraftübertragung auf kleinen Tritten zu merken fehlte mir vermutlich die Ausdauer mich an die jeweiligen Schuhe zu gewöhnen. Am besten bin ich in dieser Kategorie bisher mit dem RedChilli Habanero zurechtgekommen.
Kunstwand
Im Vergleich zum Felsklettern ist eine Kletterhalle für Kletterschuhe eine simple Sache. Die Tritte sind meistens (außer bei Strukturwänden) positiv außen auf die Wände aufgeschraubt und nur selten machen sich die Routenschrauber die Mühe mit zusätzlichen kleinen Spax-Tritten ein wenig Fußtechnik vom Begeher zu verlangen. Daher gilt für Routen am Limit das gleiche wie beim Sportklettern – für steile Routen ein weicher Schuh, bei senkrechten, kleintrittigen Routen ein etwas stabilerer; und wer viel hooken möchte, sollte darauf achten, dass der Kletterschuh gut dafür geeignet ist. Wer häufig in der Halle klettert, wird es aber bald merken: Kletterhallen sind der Tod eines jeden Kletterschuhs. Insbesondere Wände, die mit sehr rauer Oberfläche bestückt sind, scheuern den besten Kletterschuh in Kürze an der Spitze durch. Das hat auch nicht immer mit unsauberer Klettertechnik zu tun. Alleine das Eindrehen auf einem kleinen angeschraubten Tritt reicht aus, um die Schuhspitze einmal einige Zentimeter mit Druck an der Wand entlang zu reiben. Ich persönlich versuche daher an Kunstwänden nur alte ausgemusterte Schuhe zu verschleißen und halte meine neuen Kletterschuhe möglichst davon fern, daher gibt's an dieser Stelle keine persönlichen Favoriten.