Mit dem Radl von Rosenheim nach Wien
Mittlerweile ist in unserer Familie eine mehrtägige Radltour pro Jahr bereits Tradition. Angefangen hatte alles mit der Tour von Mittenwald nach Rosenheim, Amira war damals erst fünf Jahre alt, aber hat die vier Tage bravourös durchgezogen und es hat uns allen super gefallen. Das Jahr darauf ging es von Landeck ins Trentino zum Klettern, im letzten Jahr radelten wir für eine Kletterurlaubswoche nach Lofer und zurück. Wohin sollte es heuer gehen? Diesmal wollten wir uns ganz aufs Radeln konzentrieren, ohne Kletterausrüstung im Gepäck. Wir hatten eine gute Woche Zeit, also war ein Ziel im Bereich von 500 Kilometern im Bereich des Machbaren. Nachdem Fiona eine Freundin hat, die in Wien wohnt, kam der Vorschlag von ihr: "Radeln wir zur Tara?".
Die Strecke ist schnell festgelegt: Der Donauradweg bietet sich natürlich an. Auf der gesamten Strecke den Flüssen zu folgen, zuerst dem Inn bis Passau und dann der Donau, erscheint uns aber zu eintönig. Daher entscheiden wir, quer durchs bayerische Alpenvorland und das Salzkammergut nach Linz zu fahren und uns erst ab dort vom zweitlängsten Fluss Europas in die Österreichische Landeshauptstadt leiten zu lassen.
1. Etappe: Rosenheim - Waginger See
Die abwechslungsreichste Etappe steht gleich am ersten Tag auf dem Programm. Nicht weniger als fünf Seen liegen an unserer Stecke: Simssee, Schloßsee und Hartsee an der Eggstätter Seenplatte, Chiemsee, Tachinger See und Waginger See. Es geht munter bergauf und bergab, wobei die Anstiege aber eher kurz und selten steil sind. Unsere Mittagspause machen wir im Kurpark von Seebruck am Chiemsee, in Waging gibts das erste Eis der Tour und in Tettenhausen auf der Ostseite des Waginger Sees bekommen wir am ziemlich vollen Campingplatz einen der letzten Plätze für unser kleines Zelt. Nach rund 70 Kilometern bei Temperaturen bis fast 30 Grad kommt uns das eigene Strandbad des Campingplatzes gerade recht.
2. Etappe: Waginger See - Mattsee
Die kürzeste Etappe der Woche hat nur 40 Kilometer, dafür aber fast 600 Höhenmeter. Zudem wird es der heißeste Tag der Tour bei gleichzeitig sehr schwüler Luft. Über Kirchanschörung radeln wir nach Laufen, wo es über die Salzach nach Osterreich geht. Danach fahren wir im hügligen Gelände mehrmals rauf und runter, wobei die Anstiege überwiegen und teils ganz schön steil sind. Den noch steileren und langen Direktaufstieg auf den Haunsberg umfahren wir etwas zahmer nördlich bei Berndorf, dann gehts hinab zum Mattsee, wo wir den Campinglatz in Stein ansteuern. MIt einem aufziehenden Unwetter im Rücken stehen wir etwas geschockt vor der Tafel mit der Aufschrift "Nur für Dauercamper". Das traurige Gesicht der strammen 8jährigen Radlerin wollen die netten Leute an der Rezeption dann aber doch nicht wegschicken und so dürfen wir am Spielplatz unser Zelt aufbauen, das den kurz darauf einsetzenden Sturm und Platzregen auch unbeschadet übersteht.
3. Etappe: Mattsee - Lambach
Die Gewitternacht hat die Luft gereinigt und am Pfingstmontag scheint wieder die Sonne, bei deutlich angenehmeren Temperaturen. Nachdem wegen des Feiertags alle Geschäfte geschlossen haben, kaufen wir die Semmelbestände einer Tankstelle auf. Überraschend angenehm und weniger bergig als befürchtet, führt unserer Route über Straßwalchen auf das Hochfeld, den höchsten Punkt unserer Tour. "Ab jetzt geht's nur noch bergab" behaupte ich etwas leichtsinnig. Tatsächlich folgt auf eine längere Abfahrt aber bald ein zwar kurzer, dafür aber umso giftigerer Anstieg kurz vor Vöcklamarkt. In dem Städtchen machen wir eine kurze Mittagspause im Schatten großer Laubbäume und füllen unsere Wasserflaschen am Brunnen auf, bevor uns eine weitere kurze Etappe nach Vöcklabruck bringt, unserem gesetzten Minimalziel für den Tag. Hier belohnen wir uns in der schmucken Innenstadt erstmal mit einem Eis. Danach kommt die Kür für diesen Tag. Wir wollen radeln soweit wir noch kommen und Lust haben. Ein Campingplatz liegt nicht an der Strecke, daher wollen wir spontan entscheiden, wo wir übernachten. Entweder müssen wir wild zelten, wenn sich eine gute Gelegenheit ergibt, oder ein Gasthaus suchen, da für den nächsten Morgen Regen angekündigt ist. Bei Lambach an der Traun entscheiden wir, dass es nach über 80 Kilometern für den Tag reichen muss. Ein Baggersee, der auf Karte und Luftbild viel versprechend für ein Nachtlager aussieht, ist mit hohen Zäunen abgesperrt, ansonsten ist alles zersiedelt, landwirtschafltlicher Nutzgrund oder dicht bewachsene Auenlandschaft. Daher steuern wir den Gasthof Eitzinger in Lambach an. Obwohl dort eigentlich Ruhetag ist, bekommen wir ein Zimmer und können sogar auf der Dachterrasse bei bestem Abendwetter unseren Gaskocher anwerfen.
4. Etappe: Lambach - Au an der Donau
Wie erwartet, schifft es am Dienstagmorgen aus vollen Kübeln. Nach dem Frühstück packen wir uns in unsere Regenklamotten und stürzen uns hinaus ins Sauwetter. Die Klamotten meines Kooperationspartners Ortovox - eine Westalpen-Hardshell und die Ortler-Überhose bewähren sich, ebenso wie der wasserdichte Rucksack Trad 30 dry. Wie im tropischen Regenwald fühlen wir uns entlang des Traun-Radwegs, der tatsächlich die meiste Zeit durch tolle Auwäldern am Flußufer entlangführt. Der einzige trockene Platz für die Mittagspause ist unter der Brücke einer über den Radlweg führenden Bundesstraße. Am Nachmittag erreichen wir die Donau und der Regen lässt endlich nach. Voller Übermut beschließen wir einen Umweg nach Enns, um uns im Rahmen einer Kaffeepause die historische Altstadt anzuschauen. Kurzzeitig kommt sogar noch die Sonne raus. Grund genug für die Kinder einen Eisbecher zu fordern. Es bleibt sogar Zeit uns das gut gemachte Römermuseum anzusehen. Als wir nach dieser Kultureinheit das Gebäude verlassen erwartet uns allerdings schon wieder der nächste Platzregen. Eines der Highlights des Tages können wir daher auch nur bei strömendem Regen genießen: die Fahrad-Fähre über die Donau bei Mauthausen einem Ort der durch seine häßliche Vergangenheit bekannt ist. Auch unser Zelt am wunderschönen Campingplatz Au an der Donau müssen wir im Regen aufbauen. Zur Feier des Tages nach 80 nassen Kilometern gönnen wir uns in der Campingplatz-Gaststätte dafür ein Abendessen.
5. Etappe: Au an der Donau - Melk
Selbst nach dem tristesten Regen scheint irgendwann wieder die Sonne - schön wenn es bereits am nächsten Morgen der Fall ist. Leider ist mir am Vortag mein Handy abgesoffen, das ich diesmal als Fotomaschine dabei hatte. Fotografieren geht zwar vorerst noch, aber ich kann es nicht mehr laden und muss es bald abschalten. Erst daheim kann ich es auseinanderbauen und trocknen. Wir können allerdings glücklicherweise im Trockenen unsere Sachen packen und den nächsten Abschnitt bei bestem Wetter unter die Räder nehmen. Heute gibt es volle Dröhnung Donauradweg. Allerdings führt der Radweg durchaus auch mal weiter vom Fluss weg. Steigungen gibt es praktisch keine mehr und so kommen wir ganz ordentlich vom Fleck. Auch eine Fähre gibt es heute wieder, hier darf sogar Fiona ans Steuer. Ansonsten ist die Etappe geprägt von den zahlreichen Klöstern, die hier auf fast jedem Hügel an der Strecke stehen. Im Städtchen Ybbs gibts einen Kaffee für die Eltern und ein Eis für die Kinder. Beeindruckend ist im Anschluss die Anfahrt auf Melk, wo das imposante Stiftskloster im Nachmittagslicht über der Donau thront. Der Campingplatz der Stadt Melk ist noch im Aufbau - die Sanitäranlagen befinden sich in Containern. Sie sind zwar sauber, aber wir sind froh dass der Zeltplatz praktisch leer ist, sonst wäre es mit nur je einem Klo für Damen und Herren spannend geworden.
6. Etappe: Melk - Zwentendorf
Nach dem sonnigen Abendwetter wachen wir am Morgen wieder mit den ersten Regentropfen auf. Das wars dann wohl mit dem schönen Wetter für den Rest der Radltour. Direkt vor unserem Zelt am Hafen von Melk haben zwei Flusskreuzfahrtschiffe angelegt und hunderte Touristen lassen sich zum Kloster Melk fahren. Wir sparen uns die Besichtigung und machen uns direkt auf den Weiterweg, der gleich mal mit einer kleinen Singletrail-Einheit am Ufer der Pielach entlang beginnt, bevor wir den Donauradweg wieder finden. Die Strecke führt uns nun durch die wunderschöne Wachau zwischen Marillen- und Weinplantagen hindurch nach Krems. Immerhin hält sich das richtige Regenwetter bis zum Abend weitgehend fern. Wir können alles ohne Regenhosen fahren, es tröpfelt aber den ganzen Tag so dahin, dass wir iie Regenjacken mehrmals an und wieder ausziehen. Positiv: Der Wind kommt den ganzen Tag von hinten, teils in lebhafter Stärke. Das ist nicht nur leichter zum treten, es ist auch deutlich angenehmer wenn der Regen auf den Rücken prasselt anstatt ins Gesicht zu peitschen. Eigentlich hätten wir heute Tulln angepeilt, allerdings sind bereits in Zwentendorf die kritischen 70 Kilometer überschritten und der Regen nimmt am späten Nachmittag kontinuierlich zu. Wir passieren das Atomkraftwerk Zwentendorf, das zwar fertiggestellt wurde, aber nie in Betrieb ging und steuern dann den kleinen, kommunalen Campingplatz im Ort an.
7. Etappe: Zwentendorf - Wien
Es regnet die ganze Nacht und auch noch während wir am morgen unsere Sachen packen. Laut Wetterbericht und Regenradar soll es bis Mittag aufhören und weiter im Osten, wohin wir fahren, ist es angeblich bereits ab dem Vormittag trocken. So radeln wir frohgemut auf unserer letzten Etappe dem Ziel entgegen. Leider ist das mit den Prognosen so eine Sache. Der leichte Regen vom Vormittag wird sogar noch stärker und als es gegen 13 Uhr immer noch kräftig regnet, wir aber eine Pause bräuchten, beschließen wir ausnahmsweise in einem Gasthaus einzukehren. Kässpatzen und Kaiserschmarrn retten die Stimmung und als wir wieder auf die Radl steigen, hat es tatsächlich aufgehört zu regnen. Der stramme Nordwestwind bläst uns nun durch das Donautal zügig vor die Tore Wiens. Dort biegen wir vom Radweg ab und fahren über die Donauinsel hinab in die Innenstadt bzw. zu unserem Campingplatz an der neuen Donau. Dieser ist für uns sehr verkehrsgünstig gelegen - der Wermutstropfen ist allerdings die sehr nahe Autobahn, was mit entsprechender Lärmbelastung einhergeht.
Zwei Tage Wien und Heimfahrt mit dem Zug
In Wien erkunden wir in den nächsten zwei Tagen die Stadt mit den Fahrrädern: Alte Donau, Prater, Stephansdom, Hofburg, Hundertwassersiedlung ... Am Samstag ist Christopher's Street Day und die bunte Pride Parade zieht direkt an uns vorbei. Am Samstag treffen wir uns mit unseren Bekannten und Fionas Freundin und fahren mit dem angeblich höchsten Kettenkarussel der Welt. Das Highlight für unsere Mädels ist am Sonntag die Führung durch die Spanische Hofreitschule mit dem Lipizzanergestüt. Für die Rückfahrt mit vier Fahrrädern haben wir für Montag Plätze im Railjet gebucht, da am Sonntag kurzfristig keine Plätze mehr zu bekommen waren. Vom Hauptbahnhof geht es zügig über Linz nach Salzburg und dann auffallend langsamer auf den veralteten deutschen Gleisen übers große deutsche Eck (direkt bei uns am Haus vorbei) nach Kufstein. Dieser innerösterreichische Zug ohne Stop in Deutschland ist deutlich preisgünstiger als der Railjet nach München, der in Rosenheim anhält, aber erst am Nachmittag fährt. Von Kufstein fahren wir dann dank 9-Euro-Ticket fast umsonst nach Rosenheim - nur für die Fahrräder brauchen wir nochmal extra Tickets. Unser kleines Abenteuer endet dann mit der letzten Radl-Etappe vom Bahnhof Rosenheim bis vor die Haustüre.