Skitouren mit Verantwortung
Auf Skitour unterwegs zu sein macht unglaublich viel Spaß und kann uns komplett erfüllen. So komplett, dass wir vielleicht alles andere um uns herum vergessen. Dabei tragen wir aber auch beim Skitourengehen die Verantwortung für unser Handeln. Wir sind für uns und unsere Sicherheit verantwortlich möglicherweise auch für die Sicherheit anderer Tourengeher. Wir sind dafür verantwortlich, dass wir der Natur in der wir uns bewegen, und den darin lebenden Wildtieren keinen Schaden zufügen. Wir sind verantwortlich für unseren CO2-Fußabdruck, den wir damit hinterlassen, besonders bei der Anreise und durch die Ausrüstung, die wir dafür nutzen. Und wir sind verantwortlich dafür wie wir mit den Interessen, dem Eigentum und der Privatsphäre von Einheimischen, Anrainern, Grundeigentümern oder Pächtern im Bereich der Skitourengebiete umgehen. Jeder Skitourengeher ist dabei Teil der Skitourencommunity und kann direkt und indirekt beeinflussen wie dieser Sport von außen wahrgenommen wird und damit auch, wie externe Reaktionen darauf ausfallen. Nachdem in diesem Winter viele Neueinsteiger mit dem Skitourengehen beginnen, möchte ich einen kurzen Überblick darüber geben, worauf es neben den harten Fakten wie Spitzkehre und Schwungauslösung noch so ankommt.
Sicherheit für mich und Andere
Das Thema Sicherheit beim Skitourengehen steht ganz im Zeichen der Eigenverantwortung. Jeder ist selbst verantwortlich, die winterlichen Risiken richtig einzuschätzen und sich entsprechend darauf vorzubereiten, zu planen und ggf. zu verzichten. Wer sich das nicht zutraut, hat die Möglichkeit, einen Teil des Risikos auf andere "abzuwälzen", zum Beispiel indem er einen Bergführer dafür bezahlt, ihn zu führen und sicherheitsrelevante Entscheidungen für ihn zu treffen.
Grundsätzlich ist das Skitourengehen ein gesunder und relativ ungefährlicher Sport. Verletzungen werden am häufigsten durch Stürze bei der Abfahrt verursacht, im Gegensatz zum Pistenskifahren hat man es aber meist selbst in der Hand und muss nicht damit rechnen von einem Rowdy übern Haufen gefahren zu werden. Für einen erfahrenen Skitourengeher, der gut Skifahren kann und vorsichtig und vorausschauend unterwegs ist, ist das Unfallrisiko auf einer moderaten Skitour in dieser Hinsicht nicht größer als beim Pistenskifahren. Es gibt allerdings verschiedene Faktoren, die das Risiko mehr oder weniger deulich steigern können:
Lawinenrisiko
Die Einschätzung der Lawinengefahr ist ein sehr komplexes Kapitel. Neben einer entsprechenden Ausbildung und viel Erfahrung, ist besonders die Risikobereitschaft ausschlaggebend, wie sicher man unterwegs ist. Beachtet man einige wenige Grundregeln bei betont defensiver Tourenauswahl und Vorausplanung, ist das Risiko, auf einer Skitour in eine Lawine zu kommen sehr gering. Wer ambitionierte Ziele beim Skitouren gehen verfolgt (steile Hänge, anspruchsvolle Gipfel, unverspurtes Gelände) geht ein erhöhtes Risiko ein und muss entsprechend besser planen und konsequenter entscheiden, um es zu minimieren.
Ein kleines Restrisiko bleibt aber. Daher ist das Mitführen einer Lawinen-Notfall-Ausrüstung (LVS-Gerät, Schaufel, Sonde, Biwaksack) Standard. Sogar wenn man sich an einem Tag 100% sicher ist, selbst in keine Lawine kommen, ist das LVS-Equipment bei jeder Skitour dabei. Alleine schon deshalb, um Kameradenhilfe leisten zu können, falls in der Nähe andere Tourengeher in einen Unfall verwickelt sein sollten. Es gibt praktisch keinen Skitourenberg, an dem man nicht mit maximalem Pech oder maximalem Unvermögen genügend abrutschenden Schnee finden könnte,der für eine Verschüttung ausreicht.
Desweiteren muss ich mir Gedanken machen, inwieweit ich durch mein Handeln andere gefährde. Am offensichtlichsten ist dies, wenn ich z. B. von oben in eine Rinne einfahre, in der sich andere Tourengeher befinden. Mindestens genauso gravierend sind gruppendynamische Effekte, zum Beispiel durch extrem risikoreiches Einspuren von Hängen, mit dem man ahnungslose Nachahmer animiert oder wie man Entscheidungsprozesse innerhalb der eigenen Gruppe beeinflusst.
Sonstige (alpine) Gefahren
Wer in seinem bisherigen Leben nur im Flachland oder im zivilisierten Umfeld unterwegs war, sollte noch auf ein paar Dinge aufmerksam gemacht werden.
Fangen wir bei Pistentouren an. Normalerweise bewegt man sich dort im gesicherten Gelände, was heißt, dass ein Betreiber gefordert ist, Gefahren zu verhindern, woran man auch sieht, was alles schief gehen kann. Es werden z. B. lawinengefährliche Hänge abgesprengt oder gesperrt, Weidezäune abmontiert, der Untergrund eingeebnet und Felsen entfernt, umgestürzte Bäume weggeräumt oder vor Gefahrenstellen gewarnt. In einem Skigebiet außer Betrieb kann man sich darauf nicht verlassen und ist wieder bei der Eigenverantwortung. Anderseits befindet man sich bei einer Pistenskitour in stark frequentierten Gelände, das eigentlich nicht für Skitouren konzipiert wurde, so dass hier andere Gefahren lauern (Gegenverkehr in hohem Tempo, Pistenpräparierung). Die Regeln des Skipistenbetreibers sollten also befolgt werden, allein schon zum Eigenschutz und zur Sicherheit der Pistenbenutzer, aber auch aus Respekt gegenüber dem Eigentümer und den Angestellten - auch, um dem meistens sowieso angespannten Verhältnis zur Skitourengeher-Community nicht weiter zu schaden.
Hinzu kommen die Gefahren des winterlichen Hochgebirges wie Kälte, insbesondere in Verbindung mit Wind, wo es zum sogenannten Wind-Chill-Effekt kommt. Ein weitere Problem kann die Orientierung darstellen. Wege und Wegmarkierungen sind oft nicht sichtbar und bei Nebel und Schneefall verschwinden in der weißen Winterlandschaft alle Konturen und man befindet sich im "White-Out". Ohne sichtbare Skispuren werden dann hohe Anforderungen an das Orientierungsvermögen gestellt. Selbst die GPS-Navigation ist dann weniger trivial als z. B. im Sommer mit dem Mountainbike entlang einer Forststraße oder eines Trails. Bei anspruchsvollen Bergen kommen weitere alpine Gefahren hinzu, wie Steinschlag, Eisschlag oder Gletscherspalten.
Nicht unterschätzt werden sollte bei steilen Hängen die Absturzgefahr. Besonders im Frühjahr wenn die am Vortag durchfeuchtete Schneedecke über Nacht hart gefriert, oder wenn es weit hinauf geregnet hat und sich nach Abkühlung eine tragfähige Eiskruste an der Oberfläche gebildet hat, reichen bereits 25 bis 30 Grad Hangneigung, um bei einem Wegrutschen den Halt zu verlieren. Wenn der Hang nicht nach unten ausläuft, sondern steil abbricht, kann dies zum Absturz führen.
Schutz der Wildtiere und der Vegetation
In Bayern, aber auch in Österreich gilt das freie Betretungsrecht der Natur zu Erholungszwecken. Dieses Grundrecht steht allerdings auch dem Existenzrecht der eigentlichen Hausherren im Gebirge entgegen, den hier lebenden Tieren.
Im Wohnzimmer der Wildtiere
Uns sollte immer bewusst sein: Wir können uns nach einer anstrengenden Skitour im Schneesturm, daheim hinter dem warmen Ofen wärmen und mit einem großen Teller Nudeln (oder zwei) die verbrauchten Energiereserven wieder zuführen. Eine Gämse oder ein Schneehuhn hingegen muss sich so gut es geht vor der Kälte schützen - in irgendeinem windstillen Winkel oder unter dem Schnee - und sich sein karges Futter mühsam unter dem Schnee erscharren. Werden sie von einem Tourengeher aufgeschreckt oder zur Flucht getrieben, bedeutet das enormen Stress und zusätzlichen Energieverbrauch, was ihren qualvollen Tod bedeuten kann. Wir müssen den Tieren daher besonders im Winter möglichst jede Störung ersparen. ==> So kannst du wildtierschonend Skitourengehen
Schutz der Vegetation
Etwas weniger empfindlich, aber auch nicht zu vernachlässigen, ist die Vegetation. Wer bei wenig Schnee mit Fellen über ein kurzes aperes Wiesenstück steigt richtet keinen Schaden am Untergrund an und selbst wer über eine Wiese abfährt und ein paarmal "Bodenkontakt" hat wird weniger zur Bodenerosion beitragen als jede Kuh, die im Sommer dort unterwegs ist. Besonders gilt das im Frühwinter nach dem ersten Schneefall entlang einer Skipiste, die im Anschluss täglich von Pistenraupen malträtiert wird und gerade zum Saisonende hin oft von tausenden Skifahrern befahren wird, bis sich Schnee und Erdreich zu einer hellbraunen Masse vereinen. Trotzdem summieren sich die Einflüsse vieler Tourengeher, besonders dort wo es sich um empfindliche Vegetation handelt, die sonst kaum Störungen ausgesetzt ist, zum Beispiel in Jungwald-Aufforstungen. Deshalb sollte man für solche Bereiche - falls man sie überhaupt befährt, zumindest eine hohe Schneelage abwarten. In dichten Latschen- und Grünerlenzonen ist die Vegetationschädigung in der Regel das kleinere Übel, da der reduzierte Spaßfaktor von selbst für geringe Frequenz sorgt. Die dort lebenden Tierarten hingegen werden sehr wohl massiv gestört.
Klimaschonend Skitouren gehen
Skitourengehen ist an sich eine saubere Sache. Man steigt aus eigener Kraft auf einen Berg und fährt mit den Brettln wieder ab. Im Gegensatz zum Pisteln braucht man weder Lifte noch Kunstschnee, was beides beides viel Energie verschlingt - und zwar in Form von Strom, dessen Produktion zu einem mehr oder weniger großen Teil mit CO2 Emissionen verbunden ist.
Das Kreuz mit dem Kunstschnee
Für unsere Skitouren gilt dies positive Bilanz natürlich nur, solang man beschneite Pisten meidet. Allerdings gibt es immer mehr Tourengeher, die es nicht erwarten können, bis Schnee liegt und dann im Spätherbst über Kunstschneebänder durch die grüne Landschaft spazieren. Man muss zwar sagen, dass diese Ziele auch früher die typischen Frühwinter-Touren waren, die wegen der des sanften Untergrundes bereits nach den ersten Schneefällen ordentlich abzufahren waren, auch ohne Kunstschnee. In Jahren mit frühen Schneefällen im Spätherbst - noch lange bevor die Pistenpräparierung und der Liftbetrieb begonnen hatten konnte man dort die Saison eröffnen, manchmal ist das auch jetzt im Herbst nach einem Wintereinbruch für ein paar Tage möglich, bevor der Naturschnee dort wieder verschwindet. Die Beschneiung macht die Sache für Tourengeher zwar schneesicher, aber weder schöner (hässliche und laute Schneekanonen, eisiger Kunstschnee) noch klimafreundlicher, vor allem weil man mit den meist recht hohen Parkgebühren die Kunstschneeproduktion und damit den Energieeinsatz mitfinanziert. Von daher ist es sinnvoller, abzuwarten, bis der erste Schnee fällt und den natur- und klimaschädlichen Synthetikschnee zu meiden. Für viele überraschend, kann man bei fehlender Schneelage auch im November und Dezember oft super Berg- und Klettertouren machen und muss nicht zwanghafte Skitouren entlang von Skipisten machen.
Nachhaltig produzierte Skitourenausrüstung
Ein weiterer Punkt ist die Skitourenausrüstung, die ebenfalls ihren CO2-Fußabdruck fabriziert. Klar, ohne gehts nicht, aber wer seine Ausrüstung länger nutzt und nicht jedes Jahr neue Klamotten und Ski kauft produziert weniger schädliche Treibhausgase. Darüberhinaus kann man beim EInkauf drauf achten, Hersteller zu wählen, die versuchen möglichst nachhaltig zu produzieren. Dafür gibt es verschiedene Gütesiegel und viele Hersteller haben inzwischen mehr oder weniger zielstrebige Nachhaltigkeitsstrategien. Einer der Pioniere im deutschen Outdoormarkt war die Firma Vaude, die ihre Firmenphilosophie schon früh auf nachhaltige Produktion und faire Arbeitsbedingungen ausgerichtet hatte. Inzwischen haben viele andere Firmen nachgezogen, besonders auch die Firma Ortovox, die mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie ProtACT2024 konsequent auf diesen Weg eingebogen sind.
Klimaschonende Anreise
Der größte Brocken - und derjenige mit dem größten Verbesserungspotenzial - wird bei vielen Skitourengehern aber die Anreise darstellen, die in vielen Fällen mit einem Verbrenner-PKW erfolgt. Wenn ich eine Skitour im Zillertal mache, fahre ich für hin und zurück ca. 200 Kilometer. Mit meinem Diesel-PKW (ca. 5,5 l/100km) verschmutze ich die Atmosphäre dann mit 35 Kilogramm CO2. Jetzt stellt Euch diese Menge einmal als Müll vor, die Euch jemand in den Garten oder auf den Balkon kippt. 35 Kilogramm für einmal Zillertal - und dabei ist das nur der reine Treibstoffverbrauch, der CO-Fußabdruck des Autos bei seiner Herstellung ist darin noch nicht einmal enthalten. Wer mit ÖPNV fährt, verursacht immer noch etwa 10 kg CO2. Das heisst, mit einem halbwegs sparsamen Auto, das man mit 3-4 Personen besetzt kommt man auf eine ähnliche CO2 Bilanz wie mit dem ÖPNV. Ich rechne seit letztem Jahr für die meisten meiner Unternehmungen meinen persönlichen CO-Fußabdruck aus. Klimaschonende Skitouren zu gehen heißt aber vor allem die persönliche Fahrstrecke minimieren - also heimatnahe Skitouren bevorzugen (#skilocal) und bei weiteren Fahrstrecken mehrere Tage vor Ort bleiben und so mehrere Touren mit einer einzigen Anreise unternehmen.
Rücksicht auf andere Interessen
Einheimische, Grundeigentümer und Jagdpächter
Wenn wir eine Skitour unternehmen, ist davon auch der Lebens-, Wirtschafts- oder Privatbereich anderer Personen mehr oder weniger stark betroffen. Bei der Anreise mit dem Auto stauen wir uns oft durch kleine Orte, parken in engen Gebirgstälern, wo der Platz ohnehin knapp ist oder sogar auf Privatgrund, verpesten die Luft, erzeugen Lärm und nutzen die Straßen (ab). Wir gehen oder fahren mit den Ski knapp an Wohnhäusern vorbei, überwinden Zäune auf Almweiden. Wir durchqueren Wald, der jemandem gehört und wo schon mal das ein oder andere kleine Bäumchen auf der Strecke bleibt und wofür ein Jagdpächter vielleicht viel Geld bezahlt, dass er hier das Wild hegen (oder auch Trophäen schießen) kann. Ob man persönlich damit einverstanden ist oder dies gut heißt, ist wieder ein anderes Thema, es ändert aber nichts an den Tatsachen, dass diese anderen Interessen bestehen.
Wirtschaft, Tourismus und andere Wintersportler
Wer Pistentouren geht, bewegt sich auf einem Areal, mit dem Wirtschaftsunternehmen Geld verdienen möchten und es daher für ihre zahlende Zielgruppe (zu der wir Tourengeher nicht unbedingt gehören) möglichst attraktiv gestalten wollen. Anderseits sind Tourengeher in manchen Regionen inzwischen ein relevanter Wirtschaftsfaktor - sie füllen Gaststätten und Übernachtungsbetten. Je mehr Einheimische etwas von den Gästen haben, desto eher können sie auch die Störfaktoren oder Nachteile die ihnen erwachsen in Kauf nehmen. Man sieht das zum Beispiel sehr gut in Osttirol. Daher sollten wir auch akzeptieren, wenn ein Grundeigentümer Geld für seinen Parkplatz verlangt und wenn wir nach der Skitour vor Ort einkehren, anstatt am Umsteigebahnhof oder an einer Autobahnraststätte, dann geben wir unser Geld dort aus, wo es für die Tourengeher "stimmt".
Und last but not least bewegen wir uns auf vielen Skitouren in einem Gelände, in dem auch andere Wintersportler ihr Vergnügen suchen. Seien es andere Tourengeher, Schneeschuhwanderer, Winterwanderer oder Rodler. So wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es zurück. Wo wir uns rücksichtsvoll und freundlich benehmen, können wir auch Verständnis und Rücksicht auf unsere Interessen erwarten. Wo wir stur unsere eigenen Interessen verfolgen, müssen wir damit rechnen, dass das Skitourengehen immer weiter eingeschränkt wird, weil alle anderen Interessengruppen ebenfalls knallhart auf ihr Recht pochen werden - und damit in den meisten Fällen erfolgreich sein werden.