Skitouren-Durchquerung Mangfallgebirge
Über weite Strecken auf insamer Route von Lenggries nach Geitau
Schon seit einigen Jahren spukte mir die Idee einer Mehrtages-Durchquerung unserer Hausberge durch den Kopf, aber entweder hatte es zu wenig oder zuviel Schnee bzw. zu hohe Lawinengefahr oder das Wetter war zu schlecht oder es fehlten die geeigneten Tourenpartner. Anfang letzter Woche kristallisierten sich dann geeignete Skitourenverhältnisse heraus, der Familienrat gab auch grünes Licht und die ersten Interessenten aus dem Bekanntenkreis konnten begeistert werden. Mit Ausnahme des letzten Punktes verbesserte sich die Lage von Tag zu Tag, das endgültige Team stand aber erst während der schon laufenden Skitour fest, nachdem der sich am zweiten Tag eigentlich zu uns gesellen wollende Berti kränkelte. Los geht es mit eher ungewöhnlicher Anreise. Die Ski am Rucksack radele ich durch das morgengrauende Rosenheim zum Bahnhof, vorbei an irritiert blickenden Passanten. Im voll besetzten Schülerzug verstaue ich meine sperrige Ausrüstung und schnappe einige, mich betreffende, Kommentarfetzen auf. "He Alter, Skifahren wär jetzt auch cooler als Schule". In Holzkirchen treffe ich Annette und gleich darauf gesellen wir uns im einfahrenden Zug der Bayerischen Oberlandbahn nach Lenggries zu Kathrin. Unsere Startformation ist komplett.
Los geht es mit eher ungewöhnlicher Anreise. Die Ski am Rucksack radele ich durch das morgengrauende Rosenheim zum Bahnhof, vorbei an irritiert blickenden Passanten. Im voll besetzten Schülerzug verstaue ich meine sperrige Ausrüstung und schnappe einige, mich betreffende, Kommentarfetzen auf. "He Alter, Skifahren wär jetzt auch cooler als Schule". In Holzkirchen treffe ich Annette und gleich darauf gesellen wir uns im einfahrenden Zug der Bayerischen Oberlandbahn nach Lenggries zu Kathrin. Unsere Startformation ist komplett.
Vom Bahnhof marschieren wir durch den Ort zur Hohenburg und schnallen am Tourengeherparkplatz die Ski an. Am flachen Straßenhatscher überholt uns eine Tourengeherin skatenderweise, was zwar schneller aber deutlich anstrengender aussieht. Aufgrund der schweren Durchqerungsrucksäcke verweigern wir die Nachahmung und schlappen gemütlich mit den Fellen taleinwärts zur Weggabelung im Hirschbachtal. Bald zweigen wir rechts vom Forstweg ab und durch skifreundlichen lichten Hochwald gehts aufwärts. Die Routeneinzeichnung in der Alpenvereinskarte ist wohl eher etwas für ganz wenig Schnee oder Forststraßenfetischisten.
Am Gipfel herrscht reges Treiben - unglaublich wie viele Leute inzwischen an einem normalen Wochentag vormittags auf Skitour sind. Unvermeidlich sind so leider auch die Obergschaftler, die alle Anwesenden lautstark mit ihren bescheuerten Telefongesprächen nerven: "Ja, du ich sitze grad auf dem Seekarkreuz. Was bei Euch hats Nebel? Also hier scheint die Sonne, bla, bla, bla...". Die Abfahrt im Osthang testet für uns sogleich ein gut ausgerüsteter Bergkamerad inklusive ABS-Rucksack, Helm und zugehöriger Helmkamera. Leider fehlt ihm aber noch der passende Schneequalitätssensor, so dass er ausgerechnet dort abfährt, wo die alten Spuren im Osthang ein wenig verharscht sind. Entsprechend hoprig dürfte sein Filmchen werden. Wir fahren ein Stück weiter nach links, wo die Sonne mehr Kraft hat und den Harschdeckel aufweicht, ausserdem sind hier kaum Spuren. Auf halber Höhe ziehen wir nach rechts in den hier nach Nordost drehenden Hang. Nur eine dünne Regenkruste ist hier über dem Pulverschnee - sehr fein.
An der Rauhalm schieben wir jenseit vom Bach kurz aufwärts und schwingen durch den Wald in den Talboden hinab, wo uns glitzernder Raureif auf der Schneeoberfläche empfängt. In dem kalten Loch ziehen wir die Felle auf und steigen rechts um die Hochplatte herum hinauf zu den Roßsteinalmen. Nachdem es noch früh am Nachmittag ist entscheiden wir uns noch für eine kurze Alpineinlage und steigen entlang des Sommerwegs auf den Roßstein. Im warmen Spätnachmittagslicht genießen wir das Gipfelpanorama diesmal ohne labernde Handykasperl.
Für die Abfahrt unterhalb der Tegernseer Hütte könnte es gut einen Meter Schnee mehr vertragen, damit die Latschen- und Grünerlenstauden im Mittelteil angemessen verschneit sind. So hab ich dort deutlich mehr Spaß als die Mädels, die "langweiligen" Pulvermulden unterhalb sind dann auch den Damen wieder genehm. Auf der sehr gemütlichen Buchsteinhütte werden wir vorzüglich bewirtet, die Chefin schaut auch nur ganz kurz irritiert, als ich nach dem Vertilgen der Schinkennudeln sage: "Ich kriege dann bitte noch ein Schnitzel". Als Nachspeise versuche ich Kathrin und Annette meine mitgebrachten Belgischen Pralinen schmackhaft zu machen. Über den Energiegehalt der übergroßen Kaliber kann man sich nicht beschweren, über den Geschmack vielleicht schon eher. Angeblich gibts acht verschiedene Sorten, aber irgendwie schmecken sie alle gleich. Vielleicht liegts daran, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum schon deutlich in der Vergangenheit liegt. Zumindest verweigern sich die beiden recht stur meinen großzügig angebotenen Köstlichkeiten. Eine Gruppe maskierter Einheimischer erinnert uns daran, dass gerade Faschingszeit ist und als wir schon lange in unseren Schlafsäcken liegen, feiert die lustige Gesellschaft noch bis weit in die Nacht, bevor sie sich auf den Weg ins Tal macht. Der Weg ins Tal ist auch unser Auftakt für den zweiten Tourentag. Die Rodelbahn hinaus zur B307 läuft sehr flott. Nachdem wir von Berti keine Nachricht mehr bekommen haben, erlangen wir erst am Parkplatz Gewissheit, dass wir zu dritt weitergehen werden nachdem auch hier weit und breit kein Berti zu sehen ist. Über die Naturrodelbahn des Rodelklub Kreuth und über flache Almwiesen geht es nun aufwärts zur Königsalm.
Auf dem von vielen Schneeschuhgehern und sogar Fußgängern ausgetrampelten Weg steigen wir weiter zum Schildenstein. Aufgrund der massiven Begehungsspuren hatten wir mit größerem Andrang gerechnet, aber außer uns sind dann doch nur vier weitere Leute am Gipfel. Zur Mittagspause werfe ich wieder ein hoffnungsvolles Angebot in die Runde: "Möchte jemand Pralinen?". Die Mädels zwingen sich wiederwillig ihre Ration hinunter, ich gönne mir selber eine Nougatbombe, laut Packungsangabe mit Erdbeergeschmack. Die anwesenden Schneeschuhgeher lassen sich von unseren ausbleibenden Begeisterungsbekundungen davon abbringen, meinen Rucksack etwas zu erleichtern.
Nach dieser monströsen Stärkung mahne ich zum Aufbruch und unsere Abkehr von der Zivilisation beginnt. Vom Skidepot schwingen wir nach Süden hinab auf ein welliges Hochplateau und über schönes Skigelände spure ich hinauf zum Predigtstuhl. Oberhalb der Blaubergalm queren wir vorbei, dann bringt uns ein breiter Rücken auf die Blaubergschneid. Hier verschmälert sich der Grat teilweise, so dass wir gelegentlich auf seine Südseite ausweichen. Trotzdem ist alles gut mit Ski gangbar. Vor dem Blaubergkopf geht es ordentlich bergab, aber wir sind zu faul, die Steigfelle abzumontieren. Die nächste Erhebung ist der Blaubergkopf, von dem jenseits ein kurzes schmäleres Gratstück etwas mehr Konzentration erfordert, insbesondere da es nach Süden zum Teil überwächtet ist. Trotzdem lässt sich auch diese Passage mit Ski begehen.
Den unscheinbaren Karspitz umgehen wir auf seiner Südseite und kurz darauf stehen wir auf dem formschönen Halserspitz, dem höchsten Gipfel des Blaubergkammes. Hier treffen wir auf einige Skispuren - anscheinend wird der Berg von Süden auch als Tagestour begangen. Beim Blick auf den rassigen Südhang kein Wunder - nur etwas mehr Schnee als heuer wäre zu empfehlen, da der Latschenhang noch nicht ganz perfekt eingeschneit ist. Da der Schnee jetzt am späten Nachmittag im Südhang schon recht weich ist, ist gefühlvolles und vorausschauendes Abfahren angesagt, um nicht durchzubrechen oder an einem Latschenast einzufädeln. Mit der richtigen Linie machts aber meist sogar Spaß und kurz vor der Bayerischen Wildalm erwischen wir noch eine schöne Pulvermulde. Ein letztes Mal müssen die Felle montiert werden und über die Sindelsdorfer Alm schlappen wir entlang einer Schneeschuhspur zur Gufferthütte wo wir einen genialen Sonnenuntergang erleben.
Der Winterraum ist mit AV-Schlüssel zugänglich und wie wir bereits von der Website der Hütte wissen, soll für das Aufsperren etwas Geschicklichkeit erforderlich sein. Selbige fehlt mir anscheinend, denn ich werkle mit dem Schlüssel minutenlang erfolglos herum. "Soll ich es mal versuchen?" fragt Annette. Genervt überlasse ich ihr das Feld und siehe da - nach nur wenigen Versuchen öffnet sich die Tür. Da sieht man mal wieder wo das Feingefühl wohnt. Der Winterraum ist klein aber gut eingerichtet mit einem ordentlichen Herd, Geschirr und Besteck und - man höre und staune: Einer halbvollen Kiste Weißbier sowie einem passenden Weißbierglas dazu. Von den auf der Hüttenwebsite versprochenen sechs Schlafplätzen finden wir jedoch nur vier, was uns aber reicht. Kathrin hat sich um das heutige Abendessen gekümmert und legt auch gleich mit dem Kochen los. Pasta alla Norma steht auf dem Speiseplan - mit Auberginen, Tomaten aus dem Tetrapak und geriebenem ricotta salata. Das übertrifft natürlich meine vorgeschlagene Tomaten-Käsesoße aus Fertigpulver bei weitem und nachdem Kathrin die Zutaten auch noch über alle Berge mitgeschleppt hat gab es natürlich keine Einwände. So können wir das geniale Abendmenü bald ausgiebig genießen. Sehr ausgiebig sogar. "Das ist noch für Dich" strahlt Kathrin, als sie mir den Nudelteller mit dem "Rest" ein weiteres Mal randvoll lädt. "O.k. - das wird anstrengend!" Noch während ich die letzten Spaghetti hinunterwürge stolpern zwei Schneeschuhgeher aus der Dunkelheit in den Winterraum. Wurde wohl etwas später. Dafür, dass ich nun auf der - von Annette aber halbwegs erträglich mit dem Deckenstapel gepolsterten - Besucherritze schlafen darf werden die beiden gebührend mit Belgischen Pralinen bestraft, was sie tapfer auf sich nehmen.
Der letzte Tag sollte der längste dieser Durchquerung werden und so schälen wir uns beim ersten Dämmerlicht aus den Schlafsäcken. Nachdem die fleißigen Mädels am Vorabend beim Abwasch auch das Geschirr der beiden Spätankömmlinge gespült haben, erklärten diese sich im Gegenzug bereit, die Hütte am Morgen ohne uns zu säubern, so dass wir gleich nach dem Frühstück starten. Der erste Anstieg führt uns auf den Schattlahnerkopf und nordseitig finden wir zwischen den Steilabbrüchen eine lässige Abfahrt in den Bayrbachgraben. Lahnig brauchts hier aber nicht sein und man sollte wissen was man tut, aber als Plan B ließe sich auch über den Sommerweg abfahren. Auf der Alpenvereinskarte ist ein Stück oberhalb eine Forststraße hinaus zur Bayralm eingezeichnet. Wieder sind wir zu bequem, für die "kurze" Querung zur Straße die Felle aufzuziehen und ernten zwanzig sehr anstrengende Minuten. War wohl ned so schlau. Dafür läuft es auf der flachen aber bereits mit einer Aufstiegsspur geschmückten Straße bequem hinaus zur Bayralm.
Auch auf dem Sommerweg in Richtung Rieselsbergalm gibt es bereits eine einzelne Aufstiegsspur, die aber zuletzt zum Rieselsberg abzweigt. In traumhafter, einsamer Winterlandschaft kommen wir zur Ritzelsbergalm, wo Annette auf ihr "zweites Frühstück" besteht, meine Pralinen werden wie erwartet erneut gedisst. Weils an der sonnigen Hüttenwand grad so gemütlich ist, dauert es etwas, bis wir die letzten 150 Höhenmeter in die Scharte zwischen Bayrischem und Österreichischem Schinder auf uns nehmen.
Als im Tal die Mittagssirenen heulen stehen wir aber im zugigen Joch, just in dem Moment als von der anderen Seite drei Tourengeher aufsteigen. Wir überlegen noch kurz zum Gipfel weitergehen, aufgrund des wenig einladenden Latschenhanges und des noch langen Weiterwegs entscheiden wir uns aber sogleich für die Abfahrt durch das Schinderkar. Nach ein paar Schwüngen im rund 40 Grad steilen Gelände folgt ein Felsabbruch, der sich rechts durch ein Felsenfenster befahren läßt - ein sehr genialer Auftakt zu einer sehr genialen Abfahrt.
Es folgt ein riesiger Hang dessen wenige Spuren wir weit rechts liegen lassen. Der leicht windbearbeitete Pulver lässt sich mit etwas Tempo flott befahren und sobald die ersten Latschen erreicht sind geht er in butterweichen, lockeren und gut gesetzten Pulverschnee über. Flott lassen wir die Ski hinaus laufen zur Schlagalm, wo meine Begleiterinnen wegen einiger oberkörperfrei Holz hackende Burschen in lautes Kreischen ausbrechen. An der Straßengabelung in Valepp angekommen wird nochmal Wasser aufgefüllt und der elendige Anstieg zum Elendsattel beginnt. "Annettes Felle stollen" pfeift mich Kathrin schon nach wenigen Minuten des Abkürzers in meinem Vorwärtsdrang zurück und wir verarzten unsere Steigfelle mit dem in weiser Voraussicht eingepackten Imprägniermittel. Danach gleiten zwar die Felle wieder, dafür ist die bald erreichte Straße megaflach. Drei Kilometer mit 100 Höhenmeter ist kein guter Schnitt, wenn wir heute noch auf den Auerspitz kommen wollen, dazu läuft sich Annette bei dem ebenen Gehatsche Blasen. Die Querung in die Ausläufer des Pfanngrabens ist nicht viel steiler, dafür bietet der wilde Tobel spannendes Ambiente.
Danach geht es aber endgültig aufwärts und in der warmen Nachmittagssonne steigen wir über den sulzigen Südwesthang hinauf auf den Auerspitz. Alle drei merken wir den langen Marsch des Tages in den Beinen und so zieht sich die Gruppe etwas auseinander, weil jeder am liebsten sein Tempo geht. Im orangen Abendlicht stehen wir dann auf dem letzten Gipfel unserer Durchquerung und genießen ein letztes Mal den Ausblick auf die angeleuchteten Ruchenköpfe, bevor wir uns an die Abfahrt machen.
Die ersten Schwünge holen uns aus dem Traum der bisher fast unverspurten Hängen in die bittere Realität der oberbayerischen Modetouren der Münchner Skitourenberge zurück. In dem arg zerwühlten Nordhang fährt es sich deutlich ruppiger als bei unseren letzten Abfahrten, aber ab dem Bergwachthütterl halten wir uns links des Ackers und fahren über unverspurten Pulver zum Soinsee ab. Auch die Hänge der Schellenbergalm weisen noch genügend unverspurte Bereiche und schönen Pulverschnee auf, so dass es unverhofft nochmal eine wirklich gute Abfahrt wird. Erst ab Beginn des Ziehwegs unterhalb der Untersteilenalm ändert sich dies, da die Straße hinab nach Mieseben von Fußgängern perforiert wurde und entsprechend holprig ist. Im Talboden angelangt gleiten wir in der Abenddämmerung auf der schneebedeckten, hart gefrorenen Straße fast ohne anzuschieben hinaus nach Geitau bei Bayrischzell, wo die Haltestelle der Bayerischen Oberlandbahn den Endpunkt dieser perfekten Durchquerung bildet.
Karten: Alpenvereinskarten Nr. BY 13 Mangfallgebirge West und Nr. BY 15 Mangfallgebirge Mitte