Lawinenprognose ohne Grenzen
Grenzen existieren nur in unseren Köpfen
Wir stehen zu dritt auf der Dreiländerspitze in der Silvretta. Einer von uns in Tirol, einer in Vorarlberg, einer in Graubünden. Wir befinden uns in zwei verschiedenen Staaten in drei verschiedenen Verwaltungszonen. Je nachdem in welche Richtung wir abfahren, gilt eine andere Lawinenprognose. Das SLF in der Schweiz spricht von einer Gefahrenstufe Eins, der Lawinenwarndienst Vorarlberg von einem Zweier und die Tiroler geben im Lawinenreport gar einen Dreier aus. Ein Grund für diese Abweichungen ist nicht ersichtlich, denn die meteorologischen Bedingungen waren in der Umgebung dieses Grenzberges den gesamten Winter über nahezu identisch.
Die Natur ist grenzenlos
Die Berge kennen keine Verwaltungsgrenzen. Dasselbe gilt für die Schnee- und Lawinensituation. Für die Alpen werden jedoch von 17 Lawinenwarndiensten unterschiedliche Lawinenprognosen herausgegeben. Die erste Herausforderung stellt sich mit dem Auffinden der richtigen Webseiten. Da die Lawinenprognosen unterschiedlich dargestellt werden, erfordert jede Web-Seite eine Einarbeitungs- und Gewöhnungsphase.
Standardisiert aber subjektiv unterschiedlich interpretiert
Die Europäischen Lawinenwarndienste stützen sich zwar auf die standardisierte Europäische Gefahrenskala. Die Skala wird aber mehr oder weniger unterschiedlich angewandt. Die Praxis zeigt immer wieder markante Unterschiede. Auch die Aufbereitung der Prognosen anhand der Informationspyramide ("Das Wichtigste kommt zuerst") wird nicht einheitlich gehandhabt. Zum Schluss sieht sich der Wintersportler und die Wintersportlerin häufig mit widersprüchlichen Informationen bei gleichen Verhältnissen konfrontiert.
Zukunftsvision
Deshalb haben wir eine Vision. Wir wünschen uns eine konsistente, so weit wie möglich homogene und mehrsprachige Lawinenprognose für den gesamten Alpenraum. Identische
Darstellung, keine gravierende Unterschiede in der Verwendung der Gefahrenstufen, ohne vom Menschen geschaffene, sondern nur mit natürlichen Grenzen.
Diese könnte folgendermaßen aussehen:
- Bestmögliche Ausrichtung der Lawinenprognose auf die Bedürfnisse von Schneesportlern, denn sie stellen die große Mehrzahl der Lawinenopfer
- Konsistente Verwendung der Gefahrenstufe. Eine Arbeit von Techel et. al. (2018) zeigt, dass hier Handlungsbedarf besteht da unterschiedliche Warndienste bei ähnlicher Situation oft verschiedene Gefahrenstufen vergeben.
- Einheitliche und vollständige Verwendung aller Elemente aus der Informationspyramide.
- Mehrsprachigkeit: Mindestens eine Lokalsprache plus Englisch.
- Gleicher Ausgabezeitpunkt am Abend (17h) mit optionaler Aktualisierung am Morgen. Der Abendbericht hat sich organisatorisch für Schneesportler bewährt.
- Einheitliche Darstellung auf einer dynamischen Karte, die den ganzen Alpenbogen umfasst.
- Ähnliche Größe der Warnregionen, die anschließend flexibel zu Warngebieten aggregiert werden können (siehe große Unterschiede in der Karte von Abb. 2).
- Ähnliche Prozesse bei der Erzeugung der Lawinenprognose. Nur vergleichbare Prozesse können vergleichbare Ergebnisse zur Folge haben.
Wenn es leicht wäre, wäre es keine Herausforderung
Wir sind sehr dankbar für die akribische Arbeit die die Lawinenwarndienste täglich leisten. Ebenso sind wir uns bewusst, dass in der Vergangenheit gewaltige Anstrengungen unternommen wurden, um sich einander anzunähern. Wir wissen auch wie schwierig grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist. Wir sind aber auch der Ansicht, dass der Handlungsbedarf immer noch groß ist.
Wo ein Wille, da ein Weg
Das alles sind keine Illusionen. Das zeigt das Projekt des Euregio-Lawinenreports in Tirol (Österreich), Südtirol und Trentino (beide Italien). Diese gemeinsame Lawinenprognose wird täglich in drei Sprachen ausgegeben und stellt einen großen Fortschritt dar. Der Beweis, dass grenzüberschreitende Zusammenarbeit funktioniert – sofern alle Akteure von der Politik bis zum Lawinenwarner an einem Strang ziehen.
Daher die Initiative für eine alpenweit einheitliche Lawinenprognose. Wir wollen darauf hinweisen, wie wichtig die Zusammenarbeit in Sachen Lawinenwarnung ist. Denn auch nur ein einziges dadurch gerettetes Menschenleben ist mehr wert als alle investierten Ressourcen.
Alle aktuellen Infos und Übersetzungen in andere Sprachen gibt es unter: IFALP.org
Wer sich uns anschließen möchte, darf diesen Beitrag gerne teilen, zitieren und verlinken.
Weiterführende Links
IFALP wird unterstützt durch die folgenden Plattformen, Blogs und Institutionen (Reihenfolge zufällig)
Planungstool für Skitouren von Günter Schmudlach, das auf einer großen Datenbasis das Lawinenrisiko einer Skitourenroute tagesaktuell berechnet.
Alpiner Blog von Kristian Rath, ehrenamtlicher Mitarbeiter beim Lawinenwarndienst Bayern, Mitglied der Lawinenkommission, Bergwachtmitglied, Führerautor
Alpiner Blog von Steffi Höpperger die sich auf ihren zahlreichen Skitouren intensiv mit Schneedeckenkunde beschäftigt
Professionelle Schweizer Tourenplattform mit Skitourenbeschreibungen und aktuellen Tourenverhältnissen
Professionelle Tiroler Tourenplattform mit vielen Skitourenbeschreibungen und aktuellen Bedingungen.
Skitourenkarte.eu bzw. Alpenkarte.eu
Freie Kartenapplikation mit der Möglichkeit zur Tourenplanung und der Erstellung von GPS-Tracks.
Blog, Youtube-Kanal, Werbeagentur und Skitourereisen. Die Betreiber haben uns die Grafik für IFALP erstellt haben, Danke!
Privater Blog von Mario Kempf und seiner Familie zu ganzjährigen Bergaktivitäten mit und ohne Kind