Kaltstart in die Skitourensaison
Später Saisonauftakt 2016/2017
Einmal hatte es ja schon geschneit in dieser sogenannten kalten Jahreszeit. Im November allerdings war die Schneemenge so bescheiden, dass man in unserer Region nur auf einem Untergrund Skifahren konnte, der glatt wie ein Babypopo ist. Sowas gibt es in der Natur aber praktisch nicht, heißt man müsste auf Skipisten ausweichen. Zwar sind diese im November noch nicht in Betrieb aber der Lärm der omnipräsenten Schneekanonen passt so ganz und gar nicht zu dem, was ich mir unter Skitouren vorstelle. Muss ich nicht haben! Insbesondere nicht, wenn es so Alternativen wie Südwandklettern oder einsame Spätherbstwanderungen gibt.
Die Anspannung stieg allerdings dann ab den Weihnachtsfeiertagen deutlich, als sich in den Wetterkarten zum Jahreswechsel ein massiver Wetterumschwung hin zu einer nördlichen Höhenströmung abzeichnete .
An den Weihnachtstagen taucht der Wintereinbruch in den Karten auf. Quelle: Wetterzentrale.de
Das bedeutet also kurz vor Silvester noch ein letztes Mal Klettern, am Neujahrstag noch eine gemütliche Familienwanderung auf die Schliersbergalm und mit den Sommerrodeln zu Tale rauschen, danach täglich hoffen und bangen, dass die Wettermodelle nicht noch in letzter Minute eine Kehrtwende einschlagen. Dann geht es los - erst noch zögerlich aber schon bei winterlichen Temperaturen mit 10-20 cm Neuschnee am Dienstag. Ab Mittwoch setzt richtiger Nordstau ein, mit mächtigem Sturm. Am Donnerstag zieht sich der starke Wind in die Kammlagen zurück und es schneit weiter. Kalter Schnee ohne Unterlage, nix für eine Schlechtwettertour. Also noch einen Tag abwarten bis Freitag: Heilig-Drei-König. So spät bin ich wohl die letzten 20 Jahre nicht mehr in die Skitourensaison gestartet.
"Mein Zug ist um 10.20 in Osterhofen" simst mir Berti, der vom Schliersee kommt. Mit Sonja fahre ich zur Talstation der Wendelsteinbahn. Am Parkplatz spitzt bei kalten -8 Grad die Sonne zwischen den Restwolken hervor, verlockend glitzern 30 cm Pulverschnee. Aufgrund des lockeren, nicht gesetzten Schnees haben wir uns einen wenig steinigen Untergrund ausgesucht. Wir wollen über die Wendelstein-Piste auf die Lacherspitze steigen. Hier wird erst präpariert, wenn das Wendelstein-Skigebiet aufmacht und das braucht noch Einiges mehr an Schnee. Der Parkplatz ist schon überraschend voll. "Das werden doch wohl nicht alles Tourengeher sein?" Beruhigt stellen wir fest, dass wohl auch einige Ausflügler das schöne Winterwetter an diesem Dreikönigstag für eine Fahrt zum Wendelstein nutzen.
Eine dicke Aufstiegsspur führt über die Wiesen von Osterhofen. Einige verschneite Abfahrtsspuren vom Vortag sind ebenfalls sichtbar. Der erste Abfahrer kommt uns bald entgegen - in gemütlicher Schussfahrt im knietiefen Pulver. Hier ist es zu flach zum Schwingen bei der Neuschneemenge. Es ist einiges los, wir überholen ein paar Leute, werden von von Schnelleren überholt. Sicherlich 30-40 Tourengeher, die bereits am Berg unterwegs sind. Auf den letzten Metern holt uns ein schneller Irschenberger ein, mit dem wir eine kurze, eisig kalte Gipfelpause einlegen. Er war am Vortag bereits zweimal hier oben und möchte auch heute noch ein weiteres Mal aufsteigen.
Wir zirkeln zwischen den Latschen hinaus zu den freien Hängen neben dem Lacherlift. An einem frisch überschneiten Buckel kracht es beim Berti gleich mal ordentlich und wir sind gewarnt. Immer schön in den Mulden bleiben! Das macht Spaß, auch wenn nur wenige Hänge ausreichend steil sind, damit man flott schwingen kann. Unterhalb der Siglalm bleiben wir dann aber meist im inzwischen gut eingefahrenen Korridor, da man dort zügiger vorwärts kommt.
Immer weitere Tourengeher steigen auf, oft grüßt man sich. Auch den ein oder anderen Bekannten treffen wir. Wieder einmal schwinge ich ein Stück neben einigen aufsteigenden Tourengehern ab, die uns freudig zugrüßen. Berti schießt schon daher und ich schiebe gleich wieder an um weiterzufahren. Beim nächsten Stop meint Sonja: "Wolltest du mit Sissi und Flo heute nicht reden?" "Oops, die waren das?" entgegne ich. Peinlich - irgendwie sehen Skibergsteiger mit Mütze, Sonnenbrille und Anorak alle gleich aus. Kurz darauf sind wir wieder am Parkplatz.
==> Tourenbedingungen an der Lacherspitze, 6.1.2017.
Das war ja schon mal ein guter Auftakt. Den Nachmittag nutzen Berti und ich, um an meiner Website einige Arbeiten zu erledigen. Die Startseite ist mir schon zu lange ein Dorn im Auge. Hier sollen viel mehr Artikel angezeigt werden, die sonst zu sehr untergehen, dafür brauche ich aber seine Programmierkenntnisse. Gegen 18 Uhr rodeln wir vom oberen Ortsrand in Schliersee hinab zum Bahnhof. Das Thermometer zeigt bereits -16 Grad, brrr. Das wird eine kalte Nacht. Im Zug sitzen viele Tourengeher, die vom Spitzingsee kommen. Ich treffe auch eine Bekannte, die erzählt, dass am Taubenstein deutlich mehr Betrieb war als auf unserer Route. Eineinhalb Stunden brauche ich bis Rosenheim, dreimal so lange wie mit dem Auto. Ich nutze die Zeit, um bereits die Unternehmung für den nächsten Tag zu organisieren. Dann jogge ich vom Bahnhof noch die drei Kilometer heim.
Für Samstag habe ich mit Claus eine Tour verabredet. Er ist Journalist und möchte ein Interview für einen Zeitungsartikel machen. Die Skitour bietet im Vorfeld eine gute Gelegenheit, uns besser kennenzulernen. Mein Freund Hans kommt ebenfalls mit und vor Ort wollen wir mit Uta aus Saalfelden zusammentreffen, die mich als Co-Autorin bei meinem Tauern-Skitourenführer unterstützt hat. Als Ziel hab ich daher Fieberbrunn ausgesucht, was für beide gut erreichbar ist. Für genügend guten Schnee wählen wir die windgeschützten Osthänge des Stuckkogel. Die Tour kenn ich selber noch nicht und kann sie daher für die anstehende Neuauflage meines Skitourenführers Kitzbüheler Alpen nochmal vor Ort nachrecherchieren.
Mein Auto hat mich zum Glück nicht im Stich gelassen, wie einen Freund, der mit versulztem Diesel im Oberland liegengeblieben ist. Schattige -19 Grad zeigt das Thermometer am Parkplatz, immerhin fünf Grad wärmer als die kältesten Löcher bei der Anreise. Es dauert daher etwas bis wir uns im flachen Pletzergraben auf Betriebstemperatur bringen. Fast eineinhalb Stunden marschieren wir auf der Forststraße taleinwärts. Viel Zeit um zu ratschen oder seinen Gedanken nachzuhängen. Wir haben Glück, dass am Vortag schon eine Gruppe mit dem gleichen Ziel eine Spur angelegt hat. Sobald es über die freien Wiesen bergauf geht schere ich ab und zu aus der Spur aus, um ein Gefühl für die Schneedecke zu kriegen oder um die für mich teilweise zu steile Spur oder zu vielen Kehren ein wenig zu optimieren. Dabei merkt man, wieviel Kraft uns unsere Vorgänger erspart haben.
Am Gipfel ziehts ordentlich. Die nächste Warmfront schiebt sich schon wieder herein, das Attribut "warm" empfinden wir bei -15 Grad und Wind eher als Verarschung. Zudem verdecken die Schleierwolken die Sonne, entsprechend diffus wird die Sicht bei der Abfahrt.
Die ist dafür vom Allerfeinsten. Knietiefer Pulverschnee ohne Grundberührung in durchgehend skifreundlichem Gelände bis in den Talgrund. Der Pletzergraben läuft leidlich, trotz stumpfem Kälteschnee. Mit meinen frisch gewachsten Ski reicht ein gelegentlicher Doppelstockschub, um in gemächlichem Tempo zum Parkplatz hinauszurutschen. Der Hans hingegen mit den breiten, lange nicht mehr gewachsten Steinski legt eine intensive Trainingseinheit für die Oberarme ein.
==> Tourenbedingungen am Stuckkogel
Fazit: Für ein Skitouren-Auftaktwochenende waren das ideale Bedingungen. Etwas Hirnschmalz bei der Tourenplanung schont die Skibeläge und erhöht den Spaßfaktor. Und wenn die angekündigten Schneefälle in den nächsten Tagen wirklich eintreffen, dann könnte das endlich mal wieder ein richtig guter Skitourenwinter werden, zumindest in den Nordalpen und am Alpenhauptkamm.