Skitourenplanung - Auswahl eines optimalen Tourenziels
Wer kennt sie nicht, die Bilder aus den Bergmagazinen oder sozialen Medien: Ein strahlend blauer Himmel, glitzernder Pulverschnee, unberührte, weiße Hänge durch die ein einsamer Skitourengeher scheinbar mühelos seine Spur zieht. Das macht große Lust, sofort seine Tourenski einzupacken und loszuziehen. Leider präsentiert sich die Realität dann aber oft anders: Zerackerte Hänge, Bruchharsch, Nebel, undurchdringliche Latschenhänge oder Überforderung können die Wintergaudi empfindlich einbremsen. Wenn dann noch Lawinengefahr hinzukommt und die Gruppendynamik aus dem Ruder läuft, kann aus dem Spaß sehr schnell bitterer Ernst werden. Dabei lassen sich mit der richtigen Planung die meisten dieser Fakoren von Anfang an vermeiden oder zumindest stark optimieren. Jede Planung beginnt dabei mit der Auswahl des Tourenziels. Dafür solltet Ihr für Euch folgende Fragen beantworten:
1. Wie sind die Tourenbedingungen?
a) Hat es genug Schnee?
Webcams, Messtationen der Lawinenwarndienste und Tourenberichte im Internet können darüber Aufschluss geben. Wiesenhänge und Forststraßen können bei frischem Neuschnee meist ab 30-50 cm brauchbar befahren werden, bei gut gesetztem Schnee oder gar hartgefrorenem Altschnee können auch 10-30 cm schon ausreichen. Für steiniges Gelände und Waldabfahrten sollte mindestens 50-100 cm gesetzter Altschnee vorhanden sein. Nach windigen Wetterlagen sollte man sich eher Touren auf den windabgewandten Bergseiten (=Lee) aussuchen.
b) Wie ist die Lawinenlage?
Aus den Lawinenlageberichten erfährt man meistens am Vorabend die Prognose der Lawinengefahr für den nächsten Tag. Einsteiger und wenig erfahrene Personen sollten sich nur bei Warnstufe 1 ins komplett jungfräuliche Gelände wagen und bei Stufe 2 auf leichten, viel begangenen Skitouren im Bereich der Standardroute bewegen. Eine sehr gute Planungshilfe bietet dafür skitourenguru.com. Dieses Tool berechnet für jede Skitour das tagesaktuelle Risiko anhand des regionalen Lawinenlageberichts.
c) Wie ist das Wetter?
Gute Sicht ist sowohl für die Orientierung, als auch für die Beurteilung der Schnee und Lawinensituation entscheidend. Am besten sucht man sich sonnige Tage aus, bei Nebel und Schneefall beschränkt man sich auf Skitouren im Bereich der Waldzone.
Ein weiteres Kriterium ist der Wind. Ab etwa 30-40 km/h wird Schnee verfrachtet, was die Sicht verschlechtert und die Lawinengefahr erhöht. Dazu liegt dann die gefühlte Temperatur etwa 10 Grad unter der tatsächlichen Lufttemperatur.
d) Welche Schneequalität kann ich erwarten?
Pulverschnee gibt’s nur dort wo keine Sonne hinscheint oder wo diese wenig Kraft hat. Im Hochwinter kann das an kalten Tagen auch südseitig sein, besser ost- und westseitig, nordseitig natürlich am häufigsten. Im März und April gibt es Powder meistens nur noch nordseitig oder in sehr hohen Lagen. Dafür findet man in Südhängen dann nach klaren Nächten bei Sonnenschein gegen Mittag Firn, wenn man zu spät dran ist, wird es Sumpfschnee. Alles andere ist meistens weniger schön zum Fahren, vor allem wenn starker Wind oder Regen im Spiel waren. Tourenberichte im Internet helfen vor allem wenn man die Informationen auf andere Touren abstrahieren kann, die beschriebenen Touren sind danach üblicherweise zerackert oder pistenmäßig eingefahren. Letzteres kann allerdings bei verbreitet schlechter Schneequalität ein Vorteil sein.
2. Wer ist dabei?
a) Wieviele sind wir?
Ganz alleine auf Skitour unterwegs zu sein, ist mit erhöhtem Risiko verbunden (Sturz, Verletzung, Lawine). Bei viel begangenen Modetouren ist man allerdings selten komplett alleine im Gelände. Große Gruppen wiederum sind schwer zu führen und das Lawinenrisiko erhöht sich für sie etwas. Ideal ist eine Gruppengröße von 2-6 Personen - spätestens jenseits von 10 Personen sollte man sich dann zumindest unterwegs in mehrere autarke "Kleingruppen" aufsplitten. Wichtig ist dann aber Verantwortung und Führung klar zu regeln.
b) Wie fit sind wir?
Wieviele Aufstiegshöhenmeter sind für mich und für jedes Gruppenmitglied machbar? Wie schnell können wir gehen, wie gut ist unsere Abfahrtstechnik? Optimalerweise können wir dafür auf Erfahrungswerte bereits absolvierter Touren zurückgreifen. Dabei müssen wir uns immer an den Möglichkeiten des schwächsten Teilnehmers orientieren.
c) Welche Gruppendynamik ist zu erwarten?
Gibt es einen „Führer“, der alle Entscheidungen für die Gruppe trifft? Wie kompetent ist er und wie groß ist seine Autorität innerhalb der Gruppe? Welche Erwartungen verbinden die Teilnehmer mit der Tour? Wie ist das Risikobewusstsein der Teilnehmer einzuschätzen? Werden Entscheidungen akzeptiert, wenn sie nicht den Erwartungen oder persönlichen Zielen entsprechen? Alle Aufgaben sollten klar verteilt und Entscheidungen offen kommuniziert werden, ganz besonders gilt dies, wenn mehrere gleichstarke Bergsteiger gemeinsam ohne klare Führungsperson unterwegs sind.
3. Welche Skitour wähle ich aus?
Erst wenn die Fragen aus den Punkten 1 und 2 geklärt sind sollte man sich auf die Suche nach einem geeigneten Tourenziel machen. Die Vorgehensweise, sein Traumziel auf Biegen und Brechen zu erreichen birgt immer die Gefahr, dass man sich Faktoren wie Lawinengefahr oder persönliches Können „schönredet“, oder dass man in schlechterem Schnee abfährt, als es eigentlich sein müsste, weil man bessere Alternativen nicht in Erwägung zieht. Idealerweise filtert man in folgender Reihenfolge:
a) Welches Gebiet ist für mich erreichbar
Bei der Anreise sollte man als Bergsteiger und Naturliebhaber den Nachhaltigkeitsgedanken im Blick behalten. Ideal ist die Anreise mit Öffis, was die Auswahl an erreichbaren Zielen je nach Wohnort deutlich einschränkt. Dafür hat man aber dann vor Ort viel mehr Möglichkeiten, weil man nicht mehr zum abgestellten Auto zurück muss und im Idealfall in eine beliebige Richtung abfahren kann.
Hinsichtlich des persönlichen CO-Fußabdrucks schneidet zwar ein mit 4 oder 5 Personen voll besetzter PKW nicht viel schlechter ab als ein Bus oder Zug, allerdings nur wenn die Anreisedistanz in einem vernünftigem Rahmen bleibt. Was "vernünftig" ist muss jeder selbst beurteilen, aber wenn man länger im Auto sitzt als auf Skitour unterwegs zu sein, sollte man seine Relationen mal überdenken oder vielleicht lieber einen mehrtägigen Aufenthalt vor Ort einplanen.
b) Welche Tourenmöglichkeiten gibt es vor Ort?
Ist uns das Gebiet nicht bekannt, können wir entweder in digitalen Medien danach suchen oder in analogen Unterlagen wie Skitourenkarten oder Skitourenführern schmökern. Die erste Möglichkeit bringt wenig Erfahrene schneller zu einer passgenauen Tour, die optimal zum Können (Höhenmeter, Schwierigkeit) und zu den erwarteten Verhältnissen (Höhenlage, Exposition, Lawinenlage) führt. Allerdings arbeiten dabei im Hintergrund meist Algorithmen, die einen starken Fokus auf Trends haben. Die Chance, Einsamkeit und unverspurte Hänge zu finden ist daher geringer als wenn man sich seine Tour aus einer Karte oder einem umfassenden Gebietsführer heraussucht.
c) Welche Tour ist die richtige für uns?
Im Idealfall werden wir mehrere viel versprechende Kandidaten finden, die in Frage kommen. Bringt man diese nun mit den Vorstellungen und dem Können der einzelnen Gruppenmitglieder zusammen, dann muss man sich nur noch auf ein Ziel einigen. Im Idealfall wählt man auch noch eine Alternative als Plan B aus, zum Beispiel wenn sich vor Ort herausstellen sollte, dass die eigentlich beabsichtigte Tour aus irgendwelchen Gründen nicht optimal ist (zu wenig Schnee, zu gefährlich, zu viele oder noch keine Spur etc.)
Detailplanung
Ist die Tourenauswahl getroffen, geht es an die eigentlich Tourenplanung. Dabei werden dann die Logistik (Anreise, Material, Zeitplanung) und die Faktoren Verhältnisse, Gelände und Mensch jeweils nochmal detailliert für den gesamten Tourentag ausgearbeitet werden.