Skitouren im Gsieser Tal 2001- Teil 2
Der Außerharmer Hof, St. Magdalena im Gsieser Tal
Wir erreichen unser Taldomizil - Hanglage mit schöner Aussicht ins Gsieser Tal - über eine steile Treppe von oben. Ski stehn überall herum, aha. Zuerst verbellt uns Schäferhündin Kira. Dann zeigt sich die Chefin, Frau Felderer, höchstpersönlich: "Griaß Gott, ja ham Sie keine Angst vor dem Hund?" Naa, wie man vor diesem Ausbund an Gutmütigkeit Angst haben soll muß uns erst mal einer vormachen. Shakehands, Kraulen hinter Kira's herzigen Schlappohren. Im Gang des breiten Bauernhauses hängt eine Ehrentafel: "... in Würdigung der Tatsache, daß der Außerharmer Hof seit über 200 Jahren sich im Besitz der gleichen Familie befindet, wird diesem die Ehrenbezeichnung "Erbhof" verliehen ... Der Landeshauptmann, Bozen, 1996." Der Chef, Andreas Felderer sagt, das bringt zwar keine müde Lira aber die Ehr' ist auch was wert.
Die Kuchl, uralt gewölbt, mit einer Herdfläche groß wie ein Tanzboden (...der is ja breiter wie meiner sagt Angelika), ist Nahrungsquelle, Energiezentrale und Infozentrum in einem. Hier spendiert uns Sabine, die älteste und zierlichste der Felderer-Töchter, einen Begrüßungsschnaps nach Tiroler Art. Wir witzeln etwas umanand; Sabine gibts uns charmant zurück. Währenddessen kniet Franziska, 13, auf der Kuchlbank und unterhält sich höchstkonzentriert mit ihrem LapTopperl auf Windows-Chinesisch. Wird ihr das zu langweilig, läßt sie eine bekannte Opern-Melodie erklingen. Erst aus dem Mini-Powerpack, dann auf der Querflöte nachgespielt, einfach so. Es klingt etwas nach Trauer und Hoffnung, ist vom alten Verdi und der weiche Klang des Instruments hängt satt in den Gewölben. Lobt man den Klang ihres Instruments, kriegt Franziska leuchtende Augen. Schweigt die Flöte, so ertönt es gelegentlich "bssssboioioing" - kein Wumm-Geräusch sondern das Modem, Franziska geht online. Im benachbarten Schupfen hat man nämlich ein Computerkabinettl eingerichtet. Außer der Kuchl gibts noch zwei Stock Schlafräume, Bierkeller, einen uralten hölzernen Kuhstall und vor allem die Stub'n mit Prachtausstattung von 1873. Hier vertreiben sich die Gäscht die Zeit, hier steht der gewaltige Tiroler Grundofen mit Lagerbank oben drauf. Von dort oben luren die Töchter hinüber zum Fernseher im Eck. Auf diesem wiederum häuft sich ein Gebirg von silbernen Pokalen, alle gewonnen von Felderer & Felderer, der bekannten Sammel-Company im Gsies. Zwischen Stub'n und Kuchl liegt Kira bredlbroat aufm Plafond, linst raus ob keiner auf sie drauf tritt und spendiert auch mal einen halben Schwanzwedler. Will man in die Stub'n gelangen, muß man unweigerlich Kira überschreiten.
Alltag im Außerharmer Hof : man versorgt die Küh und hängt am Puls der Zeit. www.provinz.bz - das ist "Bouzn", dort hockn die Großkopferten - liefert Wetter und Lawinenlage; über www.sonstwas holt sich Claudia Felderer, Musiklehrerin in Bruneck, das Lehrmaterial um ihre widerspenstigen Kids vom Hocker zu reissen. Über Claudia, eine alpine Nebenbekanntschaft von Markus, sind wir wohl auf unser besonderes Basislager mit Familienanschluß gekommen. Für ihren Musikunterricht hat sie als Startbooster gleich mal eine Megawatt-Anlage installiert und damit ein Kunststück geschafft: die Schüler gähnen nicht mehr lauthals "waaahh, schon wieder Musik" sondern lusen und tanzen mit. Schließlich hat Claudia paar Jährchen Psychologie studiert in Salzburg. Das hätt sie fast bleiben lassen können, denn sie ist ohnehin diplomatisch, nicht auf den Mund gefallen und könnt recht gut als Alleinunterhalterin wohingehn - etwa als Sprecherin der Landesregierung nach Bouzn? Wir haben jedenfalls unsere Gaudi mit ihr. Bei der Spick-Kontrolle zum Beispiel will ein Schüler seine Hand nicht aufmachen. "Mach diese Hand auch auf!" In der Hand steht geschrieben "War wohl nix". Claudia zum Schüler: "mit dir isch woll auch nix". Nach der Schule geht die Musiklehrerin zum Eisklettern oder mit Ski und Hund aufs Schmugglerzentrum Kalksteinjöcherl oder in die Dolomiten zum Klettern oder sie bereitet einen Test vor: "Franziska machsch du mir den Test übern Mouzart warum der so genial isch?" Franziska geht brav ab und zaubert den Test ausm Computer-Schupfn. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden geht reibungslos; Franziska das "Nesthäkchen" wird sich ihr Fett schon holen.
Andreas - alpiner Ökonom, Vater und Skilehrer in einem - hat auch schon seins erlebt. Etwa bei einer militärischen Erkundung der Pala im Winter. Sein Kamerad kannte das Gelände, er die Lawinen. Das ergänzt sich gut meinten die Offiziere. Beim Erreichen eines Jochs tuts einen fürchterlichen Knall, der Steilhang reißt ab und beide können sich grad noch hinauf retten. Die Soldaten im Tal habens auch gehört und nur noch gebetet. Hätten sie das nicht getan, wärs vielleicht nie zu den sieben Felderer-Töchtern und Stammhalter Peter gekommen. Andreas freut sich über seine wetterfesten Allgäuer Küh (die legen sich auch in den Schnee), blinzelt verschmitzt und hält etwas von unabhängiger Gesinnung.
So wurden die Kinder als erste aus dem Gsies nach Bruneck in die Oberschule geschickt. Das war nicht immer leicht, denn das abgeschiedene Gsies ist für die Pustertaler sowas wie Ostfriesland bei uns, mit entsprechenden Witzen. Außerdem gibts da eine Sprachbarriere: da Frau Felderer aus dem Ahrntal stammt, sagen ihre Kinder: "Stopfst mir das Löch in der Housn". Auf Pusterisch heißts aber "Loch in der Hosn" - ein fundamentaler Unterschied, den die Felderers auf der Oberschul zu spüren bekommen. Mit Löch in der Housn kann man unmöglich Matura machen. Sie habens trotzdem geschafft.
Frau Felderer - Mutter achtfach, Köchin, Bäuerin, Hausfrau und Wirtin in einem - waltet im Stillen und mit Bestimmtheit. Während ihr Mann seinen verlorenen Allgäuern im Bergwald nachrennt (finden tut man die sowieso nie aber sie kommen von allein nach Hause) oder auch mal ein abgegangenes Skizwergerl überm Abgrund ausm Schnee ausgrabt, tut sie unbemerkt alles was sein muß. Auch wenn es sich darum handelt, bei Eis und Schnee mit Turnschuhen halsbrecherisch ums Schupfeneck zu grabln weil dort d'Antn d'Oar verlegt ham. Garten, Federvieh und häusliche Harmonie sind ihre Kernkompetenz. Die Familienfotos im Hausgang sehn das auch so, einschließlich Großvater Felderer der dort mit Heukraxn und Sonntagsgwandl abgelichtet ist. Daneben ein Bild mit lusterregenden Eiszapfen an denen Menschen hängen, ja, Menschen! Frau Felderer sagt leis aber bestimmt: "Die spinnen". Ich drauf: "Wenns aber Spaß macht". Jetzt denkt sich Frau Felderer ihren Teil. Jedenfalls ists auch nicht schlecht wenn man noch weiß, wie man Küh melkt. Könnt ja mal sein, daß die Milli wieder sehr kostbar wird, wenn auch aus anderen Gründen als nach dem letzten Krieg?
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