Familienurlaub unter Latemar und Karerpass
Manchmal lohnt sich der Aufwand, den ich in meine Website stecke dann doch. Christoph Kofler betreibt mit seiner Frau Beatrix das Familienhotel Maria in Obereggen und stolperte bei der Suche nach Kletterinfos immer wieder über meine Homepage. Über einen gemeinsamen Bekannten kam dann ein direkter Kontakt zu Stande und im Frühjahr flatterte mir eine Einladung ins Haus, ob ich mit meiner Familie für einige Tage Urlaub im Südtiroler Eggental unter den Felsbergen der Latemar-Gruppe machen möchte. Zuerst zögerte ich - ein Vier-Sterne-Hotel in einem Touristenort ist eigentlich nicht unser Stil, die Sommernächte verbringen wir meist im Zelt, je einfacher und abgeschiedener desto besser. Abgesehen davon dass wir uns derartige Urlaube auch finanziell nicht oft leisten könnten. Anderseits ist es für die Kinder sicher eine interessante Erfahrung, mal zu sehen wie andere Urlaubskonzepte aussehen, auch auf die Gefahr hin, dass vielleicht der Zelturlaub in Zukunft auf weniger Begeisterung stößt als bisher. Als wir ihnen die Urlaubsidee präsentieren bekommen sie große Augen und rufen: "Wie geil ist das denn!?!"
Anreise mit Zug und Bus
Obereggen ist von Bozen aus perfekt mit dem Bus erreichbar, daher ist für uns klar, dass das Auto zu Hause stehen bleibt und wir mit Öffis anreisen. So radeln wir am Mittwoch gegen 8 Uhr in Rosenheim zum Bahnhof und mit etwas Verspätung fährt dann auch der EC von München nach Bologna ein. Dieser Zug bietet alle zwei Stunden eine ideale Verbindung nach Norditalien, weshalb ich ihn oft und gerne nutze. Diesmal hab ich noch 10 Euro für eine Reservierung investiert, die sich gelohnt hat, da der Zug ziemlich voll ist. Die Fahrzeit verbringen wir an unserem Vierertisch mit Schafkopfen und einem zweiten Frühstück. Noch vor Mittag sind wir in Bozen, steigen in den Bus um und lassen uns durch das steile Eggental hinauf in das hauptsächlich aus Hotels bestehende Obereggen chauffieren. Die Lage des Ortes und unseres Hotels ist phänomenal. Oberhalb ragen die Felstürme der südwestlichsten Dolomiten - der Latemargruppe - auf, nach Südwesten blickt man über die vorgelagerten Hügel hinweg bis zu den Gletscherbergen der Ortlergruppe.
Unsere Unterkunft
Für unseren Ankunftstag haben wir noch keine Pläne, so erkunden wir zuerst die nähere Umgebung. Bei einer kurzen Wanderung endet der direkte (nicht ausgeschilderte) Forstweg, auf dem wir zur Epircher-Laner Alm aufsteigen wollen vor einer Absperrung wegen Forstarbeiten. So machen wir uns kurz vor dem Ziel wieder auf den Rückweg. Wenn wir schon in so einem noblen Hotel absteigen, dann wollen wir auch das Angebot nutzen. Nachmittags gibt es Kaffee und Kuchen, danach wollen die Kinder unbedingt in den Pool und Sabine in die Sauna. Ich drehe derweil noch ein Runde um den Ort und mache ein paar Fotos von dem traumhaften Spätsommerabend. Das anschließende Abendessen übertrifft alle unsere Erwartungen und selbst unsere manchmal etwas wählerischen Kinder finden es "sehr lecker".
Das Hotel nennt sich "Adventure Familiy Hotel" und bietet neben der üblichen Kinderbetreuung viele Erlebnis- und Action-Angebote wie Bike-Trainings, geführte Bike-Touren (auch zweitägig mit Zeltübernachtung), Klettersteige, Schnupperklettertage im Klettergarten, Hochseilgarten und einiges mehr. Die Angebote laufen aber nur Montag bis Freitag. Nachdem wir am Mittwoch erst angereist sind, fällt das meiste für uns weg und wir planen unsere Aktivitäten autark.
Latemarklettersteig mit Diamandititurm (2842 m)
Die Latemargruppe der Dolomiten bietet zahlreiche alpine Wanderungen und auch einen "Klettersteig" (Schwierigkeit B) über den man auf den höchsten Gipfel der Gebirgsgruppe gelangt: den Diamandititurm. Der soll unser erstes Ziel sein. Die Kinder interessiert vor allem der Klettersteig, ich würde natürlich auch gern den Gipfel besteigen. Nachdem es von Obereggen etwa 1500 Höhenmeter bis zum höchsten Punkt sind, darf die Familie mit dem Lift bis zur Station "Oberholz" auf 2100m hinaufgondeln, während ich zur Verdauung des reichhaltigen Frühstücks über die steile Piste zu Fuß aufsteige. Gemeinsam wandern wir den steilen Steig weiter, zuletzt durch eine labyrithähnliche Türmchenlandschaft, bis in die Gamsstallscharte (2560 m).
Hier wird erstmals der Blick auf unseren Gipfel frei. "Wann sind wir denn endlich am Klettersteig?" fragen die Kinder ungeduldig. "Dort drüben in der Scharte müsste er beginnen" entgegne ich. Die Scharte sieht aber noch ziemlich weit weg aus, was die Begeisterung deutlich trübt. Letztendlich sind wir dann doch schneller als erwartet in der Einsattelung. Vom Beginn des Klettersteigs ist allerdings dort immer noch nichts zu sehen. Erst etwa 50 Höhenmeter oberhalb erkennt man Drahtseile. Bis dorthin müssen wir noch über einen unangenehmen, schottrigen Schrofenvorbau klettern. Uns erschließt sich nicht, wieso hier noch keine Sicherungen angebracht wurden. Der Klettersteig selbst ist dann bestens gesichert, hat nette Stellen und ist unproblematisch. Am Ende der Drahtseile meint Fiona "Ich hab Kopfweh - können wir hier schon umdrehen?" Angesichts der bereits fortgeschrittenen Zeit entscheiden wir uns, die Gipfelpause für die Mädels hierher nach unten zu verlegen.
Ich verzichte auf die Pause und steige zügig noch eine Viertelstunde weiter bis zum Gipfel. Der gemeinsame Abstieg zieht sich dann. Zuerst klettern wir über den Klettersteig wieder ab und verdoppeln damit zumindest die Kletterstrecke der enttäuschend kurzen Via Ferrata. Das vorsichtige Abklettern über den Schrofenvorbau und der Gegenanstieg zur Gamsstallscharte kosten Zeit und Kraft. Zu allem Überfluss geht uns zum Schluss das Wasser aus. Die Seilbahn in Oberholz wollten wir für den Abstieg zwar nicht nutzen, aber auch das dortige Restaurant schließt um 18 Uhr. Das werden wir zusammen nicht mehr schaffen, also düse ich voraus und kaufe an der Bergstation noch etwas zum Trinken für die letzte Stunde Abstieg ins Tal. Pünktlich zum Sonnenuntergang laufen wir in Obereggen ein. Zum Glück gibt's im Hotel auch nach 20 Uhr noch das volle Abendessen, das wir uns heute wahrlich verdient haben.
Hochseilgarten und Biken
Nach dem anstrengenden Donnerstag ist heute Chillen angesagt. Die Frühstückszeit reizen wir bis zum Ende aus, danach verziehen sich die Mädels ins Zimmer und lesen. Ich leihe mir ein Bike aus und checke die Idee für den nächsten Tag. Ich radle hinüber zum Karersee und hinauf zum Klettergarten "Kluan Roatwandl", der sich neben der Straße zum Nigerpass befindet. Die Routen befinden sich an zahlreichen Dolomitblöcken die in grauer Vorzeit von der gewaltigen Westwand der Rotwand abgebrochen und ins Tal gerollt sind. Ich schaue mir alle Blöcke an, um abzuchecken, welche für unsere Bedürfnisse am besten geeignet sind. Die Routen sind zwar durchweg sehr kurz, meist um die 10 Meter, aber auch der Zustieg von der Straße ist nicht lang, so dass sich das Ganze gut von Obereggen mit dem Radl machen lässt. Die Alternative mit dem Bus rüberzufahren, wird also verworfen. Als ich kurz nach Mittag wieder am Hotel bin, reisse ich die Mädels aus ihrer Lethargie und wir schauen uns gemeinsam den kleinen Hochseilgarten von Obereggen an. Die drei Parcours sind genau die richtige Dosis für die Mädels um wieder wach zu werden und uns zwei Stunden zu beschäftigen, weil man jede Strecke auch mehrmals machen kann. Der vierte Parcour ist leider erst ab 16 Jahren freigegeben. Nach der Kaffeepause leihen wir auch für die Kinder noch Bikes aus und probieren sie auf dem nahe gelegenen Übungsgelände mit Rampen, Stufen und sogar einem kurzen Pumptrack aus, um für den nächsten Tag gerüstet zu sein.
Sportklettern am Kluanen Roatwandl
Wie am Vortag erkundet, radeln wir auf landschaftlich herrlicher Strecke zum idyllischen aber krass überlaufenen Karersee und mit leichtem Anstieg rechts daran vorbei zum Ort Karersee. Am gut versteckten Mini-Market decken wir uns mit Proviant ein und kurbeln anschließend durch die Siedlung hinauf zur Niger-Pass-Straße. Direkt an der Bushaltestelle "Kaiserstein" beginnt der Zustieg zu den Felsen (==> ausführliche Beschreibung des Klettergartens). Die drei Felsen oberhalb der Straße weisen die interessanteren Routen im Bereich 6a bis 7c auf und der Zustieg dauert 10 bis 20 Minuten. Unterhalb der Straße befinden sich vier Felsen mit überwiegend leichteren Routen (4a bis 6c) und die Zustiege sind mit 1 bis 5 Minuten deutlich kürzer, weshalb wir dorthin absteigen und erstmal zu Mittag essen. Die Routen im teils löchrigen Dolomit sind abwechslungsreich und eigentlich gut abgesichert, wenn auch nicht immer im "Kletterhallen-Style". Daher hänge ich die meisten Touren für meine Begleiterinnen ein und sie klettern im Toprope. Als die Motivation langsam nachlässt, steigen wir wieder auf die Bikes. Zuerst rollen wir die Teerstraße hinab, dann geht es den netten, einfachen Trail am Karersee vorbei und über die Forststraße zurück nach Obereggen, wobei zum Schluss nochmal ein lästiger Gegenanstieg zu bewältigen ist. Zur Belohnung des Tages wartet auf die Mädels nach dem Abendessen ein Schokobrunnen mit frischem Obst, der begeistert genutzt wird.
Nochmal Biken und Heimreise über Bozen
Am Sonntag steht dann leider bereits wieder die Rückreise auf dem Programm, allerdings haben wir erst im Zug abends um halb 7 Plätze reserviert, weshalb wir den Tag noch voll nutzen können. Erneut leihen wir uns die Bikes aus, weil die Kinder unbedingt nochmal im Übungsgelände damit spielen wollen. Damit die Kondition nicht ganz vernachlässigt wird, strampeln wir im Anschluss auf der konstant steilen Zufahrtsstraße zur Epircher-Laneralm hinauf und genießen das letzte mal beim Mittagessen den Ausblick. Für die Abfahrt wollen wir den Weg Nr. 10 probieren, wobei Christoph schon gewarnt hat, dass wir evtl. einige Stücke schieben müssen, weil von uns keiner ernsthaft Trailerfahrung hat. Tatsächlich ist der schmale Weg nach dem ersten Almstraßenstück teils relativ steil und oft sehr schotterig. Hinzu kommen recht tiefe, quer angelegten Wasserabflussgräben, weshalb wir immer wieder absteigen oder im Schneckentempo vorwärts zuckeln. Es gibt aber auch für uns schön zu fahrende Abschnitte über Wiesen und moderate Wurzelpfade durch die lichten Wälder. Ein letzter Gegenanstieg bringt uns zurück zum Hotel, wo wir die Bikes abgeben und uns verabschieden. In Bozen haben wir noch zwei Stunden Zeit. Wir nutzen sie zu einem Bummel durch die Altstadt und es gibt das obligate Abschluss-Eis (sehr zu empfehlen: Gelateria am Walther-Platz/Mustergasse mit dem Eis von Hiesig). Als Fahrtverpflegung kaufen wir drei Pizzen, wobei zwei davon noch am Bahnsteig verputzt werden, danach gehts über den Brenner wieder nach Hause.
Hinweis: Wir wurden vom Hotelbetreiber eingeladen und mussten keine Übernachtungskosten, sowie Leihgebühren für die Bikes bezahlen. Getränke und Fahrtkosten (über den Geltungsbereich der Gästekarte hinaus) haben wir selbst übernommen. Eine Abmachung über eine Gegenleistung gab es nicht. Der Blogartikel, sowie die begleitenden Postings in den sozialen Medien wurden im Rahmen des Betriebs dieser Website von mir in reiner Eigeninitiative erstellt.