Cavazzo und Somplago in Friaul
Vielfältige Klettergebiete im nördlichen Friaul
Friaul ist die nordöstlichste Ecke Italiens und von Südostbayern in ähnlicher Fahrzeit erreichbar wie der Gardasee. Nachdem der Bekanntheitsgrad viel geringer ist, kann man hier selbst in den Ferienzeiten und an den berüchtigten langen Wochenenden weitgehend unbehelligt von den eigenen Landsleuten klettern. Nachdem ich bereits die Gebiete im Nordosten bei Tarvisio und am Südrand der Friulanischen Alpen bei Anduins vorgestellt habe gibt es in diesem Beitrag Informationen zu den Gebieten im Umkreis von etwa 20 Minuten Fahrzeit um den Lago di Cavazzo, die wir im Pfingsturlaub 2018 besucht haben.
Klettergebiete
Somplago
Das große Kalkkonglomeratgebiet liegt am Nordende des Cavazzosees, etwa zwei Kilometer nördlich der Campingplätze. Die Hauptwand an der Kapelle (Sektor Centrale) ist bis zu 40 Meter hoch und fast komplett überhängend (also regentauglich), nur im untersten Teil gibt es ein paar kurze geneigte Passagen mit einigen leichteren Routen. Ansonsten herrscht steile Sinterkletterei oder vor allem ausdauerlastige Lochkletterei an löchrigem Konglomerat vor. Leider sind auch hier einige Routen mit Kunstgriffen entstellt, vor allem im rechten Teil. Die Schwierigkeiten liegen hauptsächlich im Bereich 6b bis 8a, es gib aber auch ein paar leichtere Routen. Der Wandfuß ist sehr familienfreundlich. Zustieg entfällt, wenn man die gesperrte Straße zur kleinen Kapelle rauffährt (so wie die Locals). Dort gibts aber nur 5-6 Parkplätze. Am Wochenende parkt man besser unten an der Abzweigung und geht fünf Minuten zu Fuß hoch. Es gibt noch einige weitere Sektoren rechts oberhalb und links (Zustieg unten vom Dorf aus), die wir aber nicht besucht haben. Hier gibts ein etwas älteres Topo vom Hauptsektor.
Braulins
Etwa 7 Kilometer südöstlich des Sees befindet sich direkt an den Ufern des Tagliamento das Dörfchen Braulins. Oberhalb des Ortes durchziehen viele Felsriegel die Berghänge - einige davon wurden fürs Klettern erschlossen. Allerdings hat sich die Natur einen Teil bereits wieder zurückerobert. Wir waren am Hauptsektor an der kleinen roten Kapelle. Die meist stark überhängende Wand aus Konglomeratgestein weist gut ein Dutzend Routen zwischen 6b+ und 8b auf. Leider wurde auch hier viel manipuliert, so dass man teilweise an Kunstgriffen klettert. Der Zustieg dauert knapp 10 Minuten, der Wandfuß ist sehr familienfreundlich. Der Sektor Nuovo ist komplett zugewachsen, den Zustieg zum Sektor La Torre haben wir nicht gefunden, vermutlich ist auch der Fels inzwischen zugewachsen. Die "Muro Alto" hat rechts ein paar leichtere Routen, die lohnend aussehen, die anderen Routen sahen eher feucht und dreckig oder bröselig aus. An den beiden oberen Sektoren waren wir nicht.
Gemona
Nur wenige Meter hinter dem Dom von Gemona steht eine breite überhängende Felswand, die mit etwa 30 Routen von 5b bis 8c bestückt ist. Zumindest teilweise dürften auch hier Kunstgriffe angebracht sein. Ein Stück oberhalb gibt es den Sektor Bulfoni e Placche mit schönen plattigen, bzw senkrechten, technischen Routen im Bereich 4a bis 7b. Noch ein Stück links ums Eck befindet sich ein kleiner Ausbildungssektor (Settore Didattico) mit einer Hand voll 3er und 4er Routen. Auch eine 13 Seillängen lange Route führt über die gratartige Pfeilerkante rechts des Ausbildungssektors bis zum Gipfel (Spigolo del Glemine 3 bis 4+, auch schwerere Varianten möglich).
Offiziell ist der untere Sektor (Strapiombo) von der Gemeinde wegen Steinschlaggefahr gesperrt, ebenso der Zustieg, der direkt hinter dem Dom in einem Durchgang der Stadtmauer beginnt (Absperrung). Inoffiziell scheren sich die einheimischen Kletterer nicht um das Zugangsverbot. Die Lösung der Touristeninfo ist aber auch nicht besser: Sie erklären die oberen Sektoren zwar für offiziell zugänglich, aber der von ihnen vorgeschlagene Zugang führt - schwer zu finden - durch ein Privatgrundstück von links her zur Wand, wovon der Grundbesitzer wenig begeistert ist. Zugang vom Dom zur unteren Wand 2 Minuten, zu den oberen Wänden 10 Minuten. Am Sektor Didattico familienfreundlich mit Picknicktisch und Kinderrouten. Die Wände sind westseitig exponiert und bekommen Nachmittags Sonne. Topo gibts beim CAI Gemona.
Cavazzo
Hardmovergebiet im Tälchen südlich des Ortes. Die Wand ist nordseitig exponiert und ganztags im Schatten. Ganz links gibts ein paar kurze Routen von 6a bis 6c, sonst ist alles im 7. und 8. Franzosengrad. Stark überhängende Konglomeratwand mit vielen Kunstgriffen. Sehr geräumiger Wandfuß mit nettem Bach 50 Meter entfernt. Ein älteres, nicht vollständiges Topo gibts bei Nolimits Tolmezzo - es befindet sich aber auch eine Topotafel am Wandfuß.
Monte Strabut
Feierabendgebiet der Kletterer von Tolmezzo wenige hundert Meter vom nördlichen Ortsrand entfernt. Liegt direkt an der Straße nach Illegio mit großem Parkplatz am Wandfuß. Eher oldschoolige Kletterei mit vielen klassischen (Riss-)Linien, die teils stark abgespeckt sind. Aber auch moderne Sportkletterrouten über überhängende Pfeiler, strukturierte 5er Platten und sogar Mehrseillängenrouten bis zu 200 m Höhe gibt es hier. Die Kletterei ist sehr abwechslungsreich und vielfältig, die Felsqualität schwankt von perfektem, zerfressenem Kalk bis gesprengtem Steinbruchfels am rechten Rand. Die Wand ist ab etwa 15 Uhr im Schatten, Zustieg gibt es keinen und der rechte Teil ist perfekt für Familien mit Kindern. Im linken Teil sollte man am Wandfuß aber mit Steinschlag rechnen. Fahrzeit vom Campingplatz am Cavazzosee rund 20 Minuten. Ein älteres, nicht vollständiges Topo gibts bei Nolimits Tolmezzo.
Villa Santina
Die Südhänge über der Stadt sind übersät mit Felswänden und beherbergen mehrere Klettersektoren. Wir haben uns die beiden Sektoren La Chiesetta und Madrabau angesehen. In beiden Gebieten finden sich rund zwei Dutzend Kletterrouten im Schwierigkeitslevel von 6a bis 8a mit Wandhöhen zwischen 15 und 25 Metern (Madrabau auch noch länger). Es herrscht senkrechte bis leicht überhängende Wandkletterei vor, die vor allem Technik und Fingerkraft erfordert. Die Routen sind alle natürlich (soweit wir gesehen haben). Vor allem im Sektor Madrabau gibt es einige absolute Klasselinien, die zum schönsten gehören, was wir in Friaul bisher gefunden haben. Zustieg Chiesetta ca. 5 Minuten, Madrabau 10 Minuten. Beide Sektoren sind eher nicht so optimal für Familien - eher noch Madrabau, wo zumindest direkt am Wandfuß einigermaßen Platz zur Verfügung steht. Ältere, nicht ganz vollständige Topos gibts bei Nolimits Tolmezzo - es befindet sich aber auch Topotafeln am Wandfuß.
Es gäbe noch weitere Sektoren in unmittelbarer Nähe, die wir aber nicht besucht haben.
Familienklettern
Zum Klettern für Familien mit Kindern sind aufgrund des geräumigen und weitgehend gefahrlosen Wandfußes alle o.g. Sektoren geeignet, vielleicht mit Ausnahme von Villa Santina. Gute Einsteigerrouten für Kinder gibt es im Settore Didattico in Gemona und teils auch im unteren Teil von Somplago. Dort soll es auch weiter rechts oben noch einen Sektor mit leichten Routen geben, den haben wir aber nicht besucht. Auch am Monte Strabut kann man kurze leichte Topropes einhängen und die ein oder andere 5er Routen kann für größere Kinder machbar sein.