Kletterurlaub by-fair-means und klimafreundlich
Eine Gemeinschaftsfahrt für meine DAV-Sektion Bayerland zu organisieren ist immer eine Herausforderung. Das war heuer wieder meine Aufgabe für die traditionelle Sommerfahrt. Es geht schon damit los, ein Ziel auszuwählen, das möglichst vielen Geschmäckern entspricht. Heuer kamen aber noch zwei weitere Dinge hinzu: zum einen die immer noch nicht ausgestandene Pandemie mit allen Unwägbarkeiten. Und zum anderen der Klimaschutz. Die Idee war nämlich, ein Ziel auszusuchen, das mit vertretbarem Aufwand auch by-fair-means oder zumindest gut mit ÖPNV erreichbar ist.
Der ursprüngliche Plan war das Zillertal. Aufgrund der kühlen, unsicheren Wetterlage und dem Anforderungsprofil der meisten interessierten Teilnehmer entschieden wir uns dann aber, eine Location mit einer größeren Auswahl an einfachen Klettermöglichkeiten zu suchen. Unsere Wahl fiel auf Lofer, wo es nicht nur zahlreiche Klettergärten gibt, sondern auch Mehr-Seillängen-Routen in fast allen Schwierigkeitsgraden und unterschiedlichen Absicherungsstilen.
Wie zu erwarten, gab es bei diesem ersten Versuch noch nicht sehr viele Bayerländer, die sich der By-fair-means-Herausforderung stellten. Viele können sich einen Urlaub ohne ihre Wohnmobile oder Autos schwer vorstellen und hängen in ihrer Komfortzone fest. Dazu waren zwei Mütter alleine mit kleinen Kindern am Start, für die es logistisch unrealistisch gewesen wäre. Dafür wurden aber vor Ort von Allen ihre Fahrten vom Campingplatz zu den Klettergebieten oder zu den Wanderungen mit dem Fahrrad unternommen. Jeder fängt mal klein an... Komplett mit dem Rad sind nur wir zwei Familien aus Rosenheim angereist (wir hatten ja auch die kürzeste Strecke). Nicho und Arnd wohnen deutlich weiter weg und haben sich mit dem Zug einen Teil der Strecke erleichtert. Sie sind von Bernau, bzw. Freilassing nach Lofer geradelt.
Die Anreise
Für das By-fair-means-Team gehts also am Samstag vormittag in Rosenheim los. Wir sind: Sabine und ich mit unseren Mädels Fiona (10 Jahre) und Amira (7) sowie Stefan und das Tandem Nicole und Ida (5). Gemütlich radeln wir über Achenmühle nach Frasdorf , wo es am Spielplatz eine ausgiebige Mittagspause gibt. Am Weiterweg nach Aschau bauen wir eine kleine Abenteuereinlage ein. Wir durchqueren die Prien an einer Furt. Nach einem kurzen Anstieg rollt es flott abwärts nach Bernau und ins Achental. Eine Badepause an der Tiroler Ache in Marquartstein gibt nochmal Kraft, anschließend steuern wir den Campingplatz in Brem an. Dort ist allerdings kein Platz mehr für uns frei. Der nötige Weiterweg zum Masererpass stößt bei den Kindern auf wenig Begeisterung, dafür finden wir dort eine perfekte Wiese mit Bach zum Übernachten.
Am Sonntagmorgen besucht uns der Wolfi aus Unterwössen mit frischen Semmeln an unserem Lagerplatz. Wir frühstücken ausgiebig und ratschen lange. Es ist bereits später Vormittag als wir starten. Leider haucht meine 12 Jahre alte Digitalcamera just in dem Moment ihre letzten Lebensgeister aus. Durch den schon länger vorgeschädigten Body ist anscheinend über Nacht Taufeuchtigkeit eingedrungen. Daher gibts von mir kaum Bilder von der kommenden Woche. Einige Fotos hab ich mit dem Handy gemacht - aber damit zu fotografieren ist nicht Meins. Deshalb sind in diesem Beitrag einige Fotos von Nicole und Stefan mit eingebaut.
Unsere Route führt erstmal den Pass hinab nach Reit im Winkl und anschließend entlang der Schwarzlofer zum Seegatterl. Die Unwetter der letzten Wochen haben hier ihre Spuren hinterlassen. Beim "Haus Wildbach" ist das namensgebende Gewässer offensichtlich an der Vorderseite hinein und hinten wieder rausgeflossen. Der kürzeste Weg ins Saalachtal führt über die Winklmoosalm. Es gibt eine Forststraße vom Seegatterl, über die im Winter eine Langlaufloipe hinaufführt. "Die sollte doch eigentlich recht flach sein" nehmen wir an. Stefan schaut sich die Strecke in der Komoot-App an und meint es gibt nur "ein paar kurze rote" Passagen. Hinterher erfahre ich, dass Steigungen ab 10 % rot sind. Dass eine Auffahrt mit gut 40 kg Gepäck anstrengender wird als eine MTB-Tour hatte ich zwar schon geahnt, aber dass ich keine Chance haben würde das Rad über die steilen Stellen hinaufzuschieben hatte ich nicht erwartet. Letztendlich hilft nur, Vollgas zu treten bis mir die Puste ausgeht, dann anhalten und warten bis der Puls wieder auf erträglichem Niveau ist. Anschließend wird das nächste Teilstück in gleicher Manier in Angriff genommen. Die Mittagshitze machts nicht leichter und so sind wir alle komplett durchgeschwitzt, als wir an der Winklmoosalm ankommen.
Bei einer ausgiebigen Mittagspause inklusive Eis füllen wir unsere Bio-Akkus wieder auf und machen uns dann an die Abfahrt. Erst geht es noch flach dahin, dann immer flotter, zuletzt sehr steil - grenzwertig für die schmalen Reifen und Felgenbremsen meines Rades bei gleichzeitig schiebendem Anhänger - hinab ins Heutal. Der richtig Härtetest für die Bremsen kommt aber erst noch. Bei der konstant steilen Abfahrt über die sonnenerhitzte, südseitige Asphaltstraße nach Unken müssen wir mehrmals anhalten und die Bremsen mit Wasser kühlen. Eine willkommene Abkühlung für die tapferen Radfahrerinnen und Radfahrer bietet anschließend die Saalach, bevor wir die letzten Kilometer zu unserem Ziel am Camping Grubhof bei Lofer hinter uns bringen.
Erster Tag in Lofer
Leider ist die Wetterprognose für die nächsten Tage nicht sonderlich gut. Stabiles Wetter für längere Touren kann frühestens für Donnerstag erwartet werden. Steffi ist eine der "Jungen Wilden" und würde gerne etwas Anspruchsvolleres machen. Nachdem nichts dergleichen planbar ist, zieht sie am nächsten Tag weiter und verlässt uns wieder. So beschränkt sich unsere Gruppe erstmal auf sechs Familien. Am nächsten Tag wollen wir einen Versuch zum Klettern in Weißbach starten, obwohl immer wieder Schauer oder Gewitter angesagt sind. Im großen Fahrradkonvoi gehts am Radlweg die Saalach entlang. Gerade als wir an der Lamprechtshöhle vorbeiradeln fängt es zum Regnen an. Planänderung. Die Höhle ist regensicher. Obwohl von den 50 km erforschter Ganglänge nur 700 m zur Schauhöhle ausgebaut sind, lassen wir sie uns nicht entgehen. Danach kommt die Sonne zum Vorschein. Die Kinder wollen aber jetzt lieber zum Baden in die Vorderkaserklamm. Mit Stefan begutachte ich den "Kinderklettergarten Brechl", bei Weißbach, der rund ein Dutzend schöner Routen von 4 bis 7 bietet. Ein paar davon sind auch bereits wieder trocken, so dass wir einige Stunden dort verbringen. Als wieder schwarze Wolken über die Loferer Steinberge wallen radeln wir schnell zurück und sind gerade noch rechtzeitig vor dem Platzregen am Campingplatz.
Klettern am Weißbacher Heeresklettergarten
Am Dienstag starten wir einen erneuten Versuch. Die ganze Reisegruppe radelt zum Weißbacher Heeresklettergarten und breitet sich dort aus. Es gibt ein paar Hand voll Routen vom 3. bis 7. Grad. Heute sind vor allem die Kinder mit Klettern dran, für die das Routenpotenzial gut für einen Tag ausreicht. Wir Eltern sind hauptsächlich Sicherungspersonal und dürfen ab und zu mal ein Toprope einhängen. Das Klettern ist hier zwar offiziell verboten, solange aber keine Übung des Bundesheeres an dem Felsen stattfindet wird es geduldet.
Mittwoch ist Wandertag
Für Mittwoch ist wolkiges Wetter mit ein paar leichten Schauern am vormittag angekündigt, nachmittags soll dann langsam die Sonne hervorkommen. Nachdem es die ganze Nacht geregnet hat, sind die Felsen nass und wir machen einen gemütlichen Wandertag. Da bei der Übernachtung am Campingplatz die Benutzung der Lofereralm-Bahn kostenlos dabei ist, fahren wir mit der Gondel hinauf. Sie endet kurz unterhalb des Parkplatzes, den wir als Ausgangspunkt für die Kletterrouten am Urlkopf kennen. So spart man sich die Auffahrt mit dem Auto und die 10 Euro Mautgebühr. Man könnte für 4 Euro auch das Fahrrad mit hinauf nehmen. Weil die letzte Talfahrt bereits um 16.15 geht, wär das für einen Klettertag am Urlkopf eine sinnvolle Idee. Unser Wanderung führt uns aufs Grubhöndl - einem der schönsten Aussichtsberge weit und breit. Eigentlich. Bei wolkenverhangenem Himmel hält sich die Aussicht für uns leider in Grenzen. Dafür bleibt auf den gemütlichen 400 Höhenmetern viel Zeit zum Schwammerlsuchen. Wir sind einigermaßen erfolgreich und so gibts am Abend für die gesamte Gruppe eine leckere Pilzpfanne als Vorspeise.
Donnerstag Kinderklettergarten Brechl
Nachdem bereits am Vortag Sabines Patenkind und deren Schwester aus Berchtesgaden zu uns hinzugestoßen sind, sondern wir uns mit den beiden Mädels am Donnerstag ab und gehen in den Kinderklettergarten Brechl oberhalb von Weißbach, während die anderen Familien den Weißbacher Dorfklettergarten besuchen. So haben wir die schöne Wand fast für uns alleine und können eine ganze Reihe an Routen abhaken. Zur Feier des Tages verzichten wir heute mal aufs Kochen und gönnen uns ein Abendessen im empfehenswerten Gasthaus Seisenbergklamm.
Freitag - Klettern am Dietrichshorn
Am Freitag "überredet" mich Kathrin, mit ans Dietrichshorn zu gehen. Da inzwischen auch ihr Mann eingetroffen ist und sich an dem Tag um die Kinder kümmert. Während unsere Familien durch die Seisenbergklamm wandern und in der Vorderkaserklamm baden, gönnen wir uns eines der besten Sportklettergebiete im weiten Umkreis. Vom Campingplatz radeln wir wenige Minuten zur Seilbahn, fahren auf die Loferer Alm und wandern in gemütlichen 45 Minuten hinüber zum Dietrichshorn. Der noch relativ junge Klettergarten bietet großzügige Linien in bestem Fels. Die meisten Routen sind 30-40 m lang und jede Tour ist etwas besonderes. Es ist zwar noch stellenweise nass - aber es wird der beste Sportklettertag des Urlaubs mit immerhin fünf langen Routen. Gegen halb vier machen wir uns wieder auf den Weg und steigen über den wunderschönen Wasserfallweg hinab zur Mittelstation. Von dort schweben wir hinab zum Radl und sind kurz darauf wieder am Zeltplatz.
Dort gibt es ein "Schnupperangebot" zum Raften. Unsere Kinder sind natürlich sofort dabei. Die Strecke führt nur die 500 m vom Campingplatzanfang bis zum Campingplatzende. Geschickterweise werden vom Anbieter im Anschluss Freikarten für einen Raftingtag verlost. Da fast nur Kinder beim Schnuppertag waren bringt jeder Preisträger noch mindestens ein 60 Euro zahlendes Elternteil für die "gewonnenen" Raftingtouren mit. Unsere Amira gehört zu den Glücklichen und darf am nächsten Tag eine dreistündige Raftingtour an der Saalach machen. Sabine begleitet sie und ich verspreche Fiona dafür eine Mehr-Seillängen-Kletterroute. Da Nicole auch mitkommen möchte und sie coachen und mich sichern kann, erweitert das unseren Aktionsspielraum deutlich. Idealerweise ist für Samstag ausnahmsweise mal sonniges Wetter ohne Gewitterrisiko angesagt. Perfekt!
Klettern Obere Diesbachwand
So radeln wir kurz nach 8 Uhr auf inzwischen wohlbekannter Strecke in Richtung Süden. Fiona darf diesmal bei Nicole aufs Tandem und so legen wir die 15 Kilometer bis Diesbach in knapp einer Stunde zurück. Vom Radlparkplatz sind es 600 Höhenmeter bis zur Oberen Diesbachwand. Aus Gewichtsgründen haben wir nur ein Einfachseil in den Urlaub mitgenommen. Allerdings ist es 80 m lang, deshalb haben wir immerhin 40 m wenn ich es als Doppelseil verwende. Nachdem in der Tour die längsten Seillängen exakt mit 40 m angegeben sind, sollte es sich ausgehen. Ich binde mich in die Seilmitte ein, steige vor und sichere an jedem Ende eine der beiden Nachsteigerinnen hinterher. Wir klettern die Route "Radlpromenade" (6-, 8 Seillängen). Fiona merkt man die fehlende Routine zwar an, trotzdem kommen wir gut voran. Leider sind ihre Kletterschuhe, die wir im Frühjahr gekauft haben bereits wieder sehr klein. Unglaublich wie schnell die Füße der Kids wachsen. In den letzten beiden Seillängen schmerzen ihre Füße ziemlich und sie ist heilfroh als wir endlich oben sind. Zum Glück kann man über die plattige Wand gut barfuß abseilen. Nach einer ausgiebigen Brotzeit steigen wir wieder zu den Rädern ab, genehmigen uns in Weißbach noch ein Eis und machen im Anschluss noch einen Stopp in der Vorderkaserklamm. Meine beiden Begleiterinnen springen todesmutig in den kalten Bach, ich begnüge mich mit einem Fußbad ganz nach Kneipp'schen Vorbild. Zur Strafe für meine Zögerlichkeit jagen sie mich mit ihrem Tandem im 30er Schnitt zurück zum Campingplatz.
Die Heimfahrt
Sonntag ist allgemeiner Abreisetag, auch Stefan, Nicole und Ida fahren heim. Wir nehmen uns aber noch einen Tag Zeit. Nur Michi bleibt am Vormittag noch und begleitet uns auf einer kurzen Wanderung durch die Teufelsschlucht. Am Nachmittag nutzen wir ausgiebig die Möglichkeiten des Campingplatzes mit Tischtennis, Tischfußball und Billard. Gemütlich lassen wir den Urlaub ausklingen, bevor wir am Montag wieder heimradeln. Über Waidring, Walchsee und das Inntal sind es nur 80 Kilometer und weniger als 500 Höhenmeter, was relativ entspannt an einem Tag zu schaffen. Den einzigen stärkeren Schauer warten wir unter einem Vordach ab. In Walchsee gibts noch ein Eis und ab Durchholzen gehts eh nur noch bergab. Die Coronakonrolleure an der Grenze lassen uns in Frieden. Mit den ersten Tropfen des einsetzenden Regens treffen wir zu Hause ein.
Fazit: Ein rundum gelungener und erlebnisreicher Urlaub mit der ganzen Familie, der mal ganz andere Perspektiven und Einsichten ermöglichte.
Nützliche Infos
Als Ausrüstung hatten wir ein leichtes 4-Mann-Zelt (Papa-Hubba von MSR mit Gear-Sheet). Schlafsäcke, Isomatten sowie 80-m-Kletterseil im Gepäckanhänger. Dazu hatten beide Erwachsene jeweils zwei Satteltaschen und obendrauf einen Rucksack in dem die restliche Ausrüstung (Kleidung, Kochzeug, Kletterausrüstung, Tagesverpflegung etc.) verstaut war. Normale Straßensteigungen bis 10 % lassen sich damit gut bewältigen, steilere Passagen werden dann aber schnell sehr mühsam. Der Aufstieg zur Winklmoosalm war eigentlich zu steil dafür. Der Camping Grubhof bei Lofer bietet sich perfekt für einen weitgehend klimaneutralen Sommer-Kletterurlaub an. Im Übernachtungspreis ist die "Saalachcard" inbegriffen, mit der man die öffentlichen Verkehrsmittel und die Loferer-Almbahn (Urlkopf, Dietrichshorn) kostenlos nutzen kann. Für längere alpine Touren sind allerdings die Fahrzeiten der Seilbahn und der Busse (v.a. am Wochenende) oft nicht geeignet. In radelbarer Entfernung erreicht man einige Klettergärten (Weißbach, Hohlwegen, Auer Wandl, evtl. auch noch Adolari) sowie die Ausgangspunkte zu unzähligen Mehrseillängenrouten (jeweils ca. 30-45 Min. Radlzeit zu den Parkplätzen von Alpawand, Hohlwegen/Diesbachwand, Loferer Hochtal/Schmidt-Zabierow-Hütte, Vorderkaserklamm/Loferer Steinberge Südwände, teils kann man mit dem Fahrrad noch ein gutes Stück weiter hochfahren). Mit etwas besserer Kondition oder E-Bike können auch die Südwestseite (Häuslhorn etc.) und Nordwestseite (Feuerhörndl...) der Reiteralm sowie die gesamten Routen der Steinplatte/Wemeteigenalm erreicht werden.