Skitouren-Netzwerktreffen in Langtaufers
"Vielleicht machen wir ja mal eine Tour zusammen!" endeten viele Mails von Kontakten bezüglich meiner Skitourenführer oder meiner Website. Tatsächlich ergeben hat sich aber nie etwas. Heuer möchte ich endlich Nägel mit Köpfen machen und mein Netzwerk an Skitourenkontakten enger verweben. Weitere Nahrung erfährt diese Idee als mich Sepp Thöni vom Langtaufererhof frägt, ob ein "Bloggertreffen" nicht eine gute PR-Maßnahme für sein Skitourenhotel in den westlichen Ötzaler Alpen wäre. Bei den ersten Vorüberlegungen stellt sich dann aber schnell raus, dass die Schnittmenge der klassischen Bloggerszene und der sog. Influencer nicht allzu groß ist mit dem Personenkreis der sich fachlich fundiert mit dem Thema Skitouren beschäftigt und den ich eigentlich im Auge habe. Daher übernehme ich die Organisation und es wird keine Werbeaktion für das Hotel daraus sondern ein Netzwerktreffen in kleinem aber feinem Rahmen. Trotzdem gesteht uns der Sepp super Konditionen zu - natürlich mit dem Hintergedanken, dass der Langtaufererhof als Top-Stützpunkt für Skitouren weiter an Profil gewinnt, wenn sich hier einige einflussreiche Köpfe der Tourengeherszene treffen.
Das Hotel nennt mir zwei Termine im Hochwinter, an denen sie Kapazitäten für 10-15 Personen frei hätten. Die Frage ist nun: "Wen lade ich ein?" Ziel ist einerseits bestehende (teils nur virtuelle) Kontakte zu vertiefen, aber auch, Personen kennenlernen, die hinter den zahlreichen - meist kleineren - Projekten stehen, die sich im WWW mit dem Thema Skitouren beschäftigen oder denen ich diesbezüglich seit längerer Zeit in den sozialen Medien folge. Ich verschicke viel E-Mails und Nachrichten und bekomme eine große Resonanz auf die Initiative - allerdings wird schnell klar, dass es nicht möglich sein wird, an einem Termin alle Leute zu versammeln die ich gerne dabei hätte. Einerseits aus Platzgründen, andererseits aus Termingründen. Letztendlich macht uns dann aber erstmal das Wetter einen Strich durch die Rechnung - die ergiebigen Schneefälle zwingen uns im Januar zur Absage. Ganz will ich mich aber noch nicht geschlagen geben und beginne für einen Termin Anfang April nochmal von vorne.
Wenige Tage vor dem Treffen: "Ich bin in Langtaufers definitiv nicht dabei" sagt Berti enttäuscht. Eine Verletzung zwingt meinen Skitourenspezl und Website-Programmierer zur Absage - mit ihm wollte ich eigentlich gemeinsam schon am Freitagmorgen anreisen. Ich versuche vergeblich andere Teilnehmer für eine Fahrgemeinschaft zu gewinnen aber keiner kann sich diesen Tag frei nehmen. Sie reisen alle erst zum Abend an. Außerdem müsste ich in jedem Fall mindestens bis Innsbruck alleine fahren. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln schaffe ich es nicht früh genug dort zu sein, um noch eine Skitour machen zu können. Angesichts der guten Wetterprognose und des frei gehaltenen Tages beiße ich in den sauren Apfel und fahre alleine mit dem Auto die zweieinhalb Stunden bis zum Reschenpass und nach Langtaufers.
"Wow ist das tief". Der erste Schritt vom Hotelparkplatz in den Neuschnee überrascht mit enormer Einsinktiefe. 50 cm hat es die letzten 24 Stunden geschneit, durch die ich noch komplett hindurchfalle. Lawinenwarnstufe 3 mit Tendenz zu 4. Ich bin skeptisch ob ich heute überhaupt irgendwo raufkomme. Die Route zum Glockhauser kenne ich gut und denke, dass ich bis zum Gipfelhang sicher unterwegs sein kann. Dort muss ich dann sehen wo sich der Triebschnee abgelagert hat. Ich spure über die Wiesen hinauf zum alten Schlepplift von Melag, wo sich gerade zwei andere Tourengeher in Richtung meines Ziels wühlen. Lange kann ich mich nicht über die Unterstützung freuen. Die beiden steuern nach dem ersten steileren Hang den engen Bacheinschnitt an, der mir heute zu gefährlich erscheint. Also zweige ich links ab und spure links den Begrenzungsrücken der Inneren Falatsch hinauf ins Schönkar. Die Aprilsonne macht aus der Schneeoberfläche einen gemeinen Pappschnee, der mit dem kalten Pulver darunter für übelste Stollenbildung sorgt - nicht nur unter den Fellen, auch zwischen Schuh und Ski, auf dem Ski und am Skischuh. Fazit: Ich schleppe jede Menge Schnee den Berg hinauf, obwohl oben genug liegen würde. Entsprechend mühsam komme ich voran. Dafür belohnt mich der Gipfelhang mit lawinensicheren Bedingungen, weil hier der Südwind den Neuschnee auf die Nordseite verfrachtet hat.
Pünktlich zur Kaffeezeit bin ich wieder am Hotel und schon triff auch der erste Teilnehmer ein. Günter Schmudlach, der Kopf hinter dem Projekt Skitourenguru, ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus Zürich angereist. Trotz viermaligem Umsteigen hat er die Strecke in vier Stunden geschafft. Bis zum Abendessen trudeln auch die meisten anderen Teilnehmer ein: der Tiroler Lawinenexperte und Blogger Lukas Ruetz mit seiner Freundin Steffi Höpperger, Kristian Rath aus dem Allgäu - ebenfalls ein Lawinenexperte und Führerautor, Christof Simon von dem Tourenportal Tourenwelt.at, Jochen Schneider der die Onlinekarte skitourenkarte.eu erstellt hat, Veit Schumacher und Kathrin Waschgler von der Outdoorplattform airfreshing.com sowie Magdalena Köllemann und Christoph Munter, die den Südtiroler Tourenblog sehn-suchtberge betreiben. Etwas verspätet trifft dann der Journalist Claus Lochbihler ein und komplettiert die Runde. Obwohl sich viele vorher nicht gekannt hatten, enwickeln sich sofort rege Gespräche und es wird ein sehr geselliger Abend.
Vor lauter Ratschen hätten wir fast die Tourenplanung für Samstag vergessen. "Hinten im Talschluss hat es sicher einen Meter geschneit" schätzt Sepp Thöni, der Hotelchef. Der Lawinenlagebericht verspricht immer noch Warnstufe 3. "Der Bärenbartkogel über den Bärenbartferner müsste in jedem Fall gehen, da gibts nur ganz oben einen steilen Hang". Kristian Rath kennt nicht nur das Allgäu wie seine Westentasche - auch hier im Reschengebiet war er schon oft unterwegs. Ein kurzer Blick auf die Karte und ich bin dabei. Claus, Günter und der Christoph kommen auch mit. Der Rest der Versammlung scheut den langen Talmasch und möchte lieber etwas direkt vom Hotel aus machen, sie peilen die Mitterlochspitze an.
Grausiger Bruchharsch sorgt ab der Melager Alm dafür, dass das Spuren nicht zu gemütlich wird. Aber wir wechseln uns kollegial ab, so dass wir flott vorankommen. Erst oberhalb der Moräne wird der Harschdeckel immer dünner, bis wir ab 2700 m unsere Spur durch traumhaften Pulverschnee über den Bärenbartferner zum Kamm hinaufziehen. Der von Kristian erwähnte "steile Hang" über den man auf den Freibrunnerferner queren müsste, entpuppt sich als komplett eingeblasen und felsdurchsetzt, so dass wir links mit Ski auf den Vorgipfel steigen. Zum 50 Meter höheren Hauptgipfel müsste man die Ski über den kurzen Verbindungsgrat tragen und dann nochmal 15 Minuten hinaufspuren. Das reizt nur noch den Kristian - wir anderen machen dafür eine ausgiebige Gipfelpause und genießen den Blick zur Ortlergruppe. Die Abfahrt beginnt mit einem Pulvertraum in den riesigen, unverspurten Flächen. Der Bruchharsch im unteren Teil wurde zum Glück von der Sonne aufgelöst, so dass wir in gut fahrbarem Pappschnee bis zur Waldgrenze hinabschwingen. Auf dem letzten Stück erwartet uns dann gemeiner Bremsschnee, der das drei Kilometer lange Skating bis nach Kappl zur Konditionsprobe werden lässt.
Die Mitterlochfraktion war ebenfalls erfolgreich und erwartet uns bereits am Kuchenbuffet. Am Nachmittag knüpfen wir an den regen Austausch des Vorabends an und jeder stellt der Gruppe sein Projekt kurz vor. Viele Kooperationsideen werden gesponnen und Hilfen angeboten, dazu auch viel geblödelt und gelacht. Eine Hüttenruhe gibts hier nicht und eher spät am Abend verschwinden wir dann auf den Zimmern.
Für Sonntag ist wolkenverhangenes Wetter angekündigt und daher lassen wir uns in der Früh Zeit. Erst kurz vor 9 starten wir alle in Richtung Maseben - nur der Claus musste überraschend abreisen. Beim Aufstieg über die Skipiste wird viel geratscht und so merken wir kaum, dass sich die die Wolkendecke immer mehr aufhellt. Oben in Maseben angekommen stellen wir daher überrascht fest, dass die Sonne scheint - damit hatten wir für diesen Tag überhaupt nicht mehr gerechnet. Und so wird die Tiergartenspitze die perfekte Abschlusstour, wo sich der Großteil der Gruppe dann am Gipfel trifft. Die Abfahrt kann zwar mit dem Vortag nicht mithalten, aber das ist heute eher nebensächlich. Zufrieden lassen wir das Wochenende im Hotel bei den hervorragenden Kuchen ausklingen, bevor wir uns von den neu gewonnenen Freunden und dem Gastgeber verabschieden.
Vielen Dank von mir an dieser Stelle nochmal an die Familie Thöni für die grandiose Gastfreundschaft und an alle Teilnehmer, die zum Gelingen dieses Wochenendes beigetragen haben.
Und noch ein paar der tollen Fotos von Christoph Simon von Tourenwelt.at: