Skitouren in Schalders in Südtirol
Ein Ausflug in gelobte Land der endlosen Schneemassen
Nachdem der heurige Winter in Bayern seinen Namen nicht verdient, verstärken sich die Entzugserscheinungen nach dem weißen Stoff von Woche zu Woche. Ein paar nette Skitouren in den Kitzbühelern und Tuxer Alpen brachten jeweils nur kurzzeitige Besserung. Ein paar perfekte Tourentage am Stück wären daher für die geschundene Seele schön langsam mal angebracht. "Hans und ich wollen am Wochenende wohin fahren, wo richtig viel Schnee liegt" meint Sonja und fügt hinzu "willst Du mitkommen?". Und ob, allerdings mag ich Sabine momentan noch ungern mit den zwei Mädels drei Tage ganz alleine lassen. Sie fragt daher bei ihren Eltern an, ob sie sich dort einnisten kann - und ich bekomme grünes Licht.
Die nächste Hürde ist ein geeignetes Quartier für 5 - 6 Leute, da auch Jo, Regine und Linda mitkommen wollen. Um nicht allzu weit fahren zu müssen, haben wir die Brennerregion ins Visier genommen, erste Mails und Telefonate zeugen aber schon von der Schwierigkeit des Unterfangens zwei Tage vor Anreise noch sechs Betten zu kriegen. Alles ausgebucht. Der Blick auf die Karte zeigt mir ein Stück südlich ein kleines Seitental namens "Schalders", das mir bis dato unbekannt war. Perfekt. Wenn ichs nicht kenne, dann kann es nicht so überlaufen sein, denke ich, und google unverzüglich nach Unterkünften. Viel gibt es nicht. Beim ersten Versuch bekomme ich zu hören "Nein. Im Winter vermieten wir nichts". Auf hartnäckiges Nachfragen ergattere ich aber immerhin die Telefonnummer eines weiteren Bauernhofes. Fünf Minuten später sind zwei Ferienwohnungen gebucht.
Wetter-Südtirol verspricht nach einem durchwachsenen Samstag zwei perfekte Spätwintertage. Bereits um 7 Uhr starten wir, um uns in der allsamstäglichen Urlauberkolonne möglichst weit vorne einzureihen. Weniger als zwei Stunden später sind wir bereits in Vahrn und decken uns im örlichen Lebensmittelladen mit allerlei Leckereien ein, um die nächsten beiden Abende auch kulinarisch angemessen gestalten zu können. Wir kurven die steile Straße nach Schalders hinauf und noch vor dem Ortseingang weist uns links ein hölzernes Schild zum "Lercher". Ein typischer Südtiroler Bergbauernhof, wie ich sie von vielen schönen Urlauben her kenne, mit einem neu gebauten Wohnhaus. Das obere Stockwerk enthält drei Ferienwohnungen, von denen wir zwei in den nächsten drei Tagen unser Zuhause nennen dürfen.
Bald sind die Nachzügler Jo und Regine auch eingetroffen und nach kurzer Begrüßung starten wir sogleich zu unserer ersten Tour. Es ist bedeckt und schneit immer wieder leicht, so dass wir für heute eine eher waldige und südexponierte Route gewählt haben - zur Karspitze. Der Parkplatz befindet sich fast 500 Höhenmeter weiter oben beim Wieserhof. Die fünf Stellplätze sind von den anwesenden vier Autos großzügig ausgenutzt worden, so dass wir für unseren VW-Bus leider keinen Platz mehr haben. Zum Glück ist der Bauer gerade am Schnee schaufeln und er lässt uns netterweise direkt vor der Einfahrt seiner Scheune parken.
"Klack, Klack" - Die Bindung schnappt zu und die Tour beginnt. Auf dem Hofdach liegt hier sage und schreibe ein Meter gesetzter Altschnee - und das an ein einem sonnigen Südhang, wo bei uns auf dieser Höhe keine einzige Flocke mehr zu finden ist. Wir folgen einer vorhandenen Aufstiegsspur entlang des Sommerwegs durch dichten Wald, bis sie im Nichts endet. Irgendwie war das wohl doch kein so ortskundiger "Local". Naja, dann spuren wir halt selber weiter. Anfangs ist es noch etwas Gegurke, aber bald wird der Wald lichter und über schönes Skigelände erreichen wir den Kamm und die Waldgrenze. Schlagartig ist es vorbei mit dem idyllischen Geflocke - ungemütlicher Wind bläst uns ins Gesicht. Auffällig ist hier jetzt die rotbraune Färbung des Schnees - ein schöner Gruß aus Afrika. Immer wieder wird die Sicht zwischendurch etwas besser, so dass bereits das Gipfelkreuz zu sehen ist. Schaut nicht mehr weit aus, anhand der Karte müssten es aber noch fast 500 Höhenmeter sein. Tatsächlich zieht sich der Gipfelhang gewaltig und als wir dann unter dem 8 Meter hohen Kreuz stehen wird uns die optische Tauschung klar.
Trotz schlechter Sicht ist die Abfahrt auch im Gipfelhang recht zügig möglich - die braunen Saharastaubflecken sorgen für gute Konturen in dem endlosen Weiß. Der Waldgürtel lässt sich durch tolle Schneisen ebenfalls viel besser überwinden, als im Aufstieg befürchtet und so stehen wir schon kurz darauf wieder an der Wiese oberhalb des Parkplatzes. Wir nehmen den nächsten Hang noch mit und fahren eine Straßenkehre weiter ab - nur Hans quert zum Auto und liest uns unten wieder auf. Zurück in der Ferienwohnung gibts Kaffee und Regines Guglhupf. Schmecken tut er hervorragend, obwohl er von Jo unprofessionell aus der Form gestürzt wird und dadurch in seine Zutaten zerfällt. Das Abendessen ist schon traditionell ein Kampf meinerseits gegen die Sparesser, die glauben von 1 kg Nudeln könnten fünf Leute + Markus satt werden. Ich handle immerhin 250 Gramm Bonus raus und natürlich bleibt keine einzige Nudel übrig.
Kein Wunder also, dass der nächste Morgen mit strahlendem Sonnenschein beginnt. Der geniale Tagesanfang wird durch den riesigen Frühstückskorb unserer Vermieterin garniert. Semmeln, Vintschgerl, Butter, hausgemachter Topfen, Joghurt, Marmelade, frische Milch, Obst und vieles mehr. Das Frühstück zieht sich damit derart in die Länge, dass wir die letzten sind, die am Parkplatz in Steinwend eintreffen und wieder geht die Suche nach einem Abstellplatz los. Zum Glück ist eine Kehre oberhalb genau ein Platz frei - wie für uns reserviert. Heute steht das "Schrotthorn" auf dem Programm. Es ist nicht nur der höchste Gipfel des Schalderer Tales, sondern auch genau vom Fenster unserer Wohnung aus zu sehen.
Nicht mal fünf Minuten waren wir unterwegs als Hans rief "Schauts mal die Schanze!". Ein verschneiter Jägerstand in einem perfekten Hang mit perfektem Auslauf. Da konnte er nicht wiederstehen. Und wenn wir schon die fette Kamera die ganze Zeit mitschleppen, dann muss das natürlich auch dokumentiert werden wenn sich der Hansl in die Tiefe stürzt. Nach diesem Intermezzo gehts dann weiter - erst auf einem Fahrweg durch dichten Wald, dann entlang des Sommewegs durch herrlichen, lichten Lärchen- und Zirbenwald. Eine schöne Skimulde führt dann in das Joch unter dem Schrotthorn und das kleine Gipfelkreuz ist wieder zum Greifen nahe. Nach der Täuschung vom Vortag und dem Wissen, dass von der Scharte zum Gipfel noch 250 Höhenmeter zu überwinden sind, fallen wir diesmal nicht auf den Trick herein. Tatsächlich misst das Gipfelsymbol wieder stattliche 8 - 10 Meter Höhe.
Nach der ausgiebigen Sonnenpause, während der wir die geniale Aussicht vom Ortler übers Zuckerhütl bis zur Marmolada genießen, fahren wir über die schönen Westhänge noch ein gutes Stück bis unterhalb vom Joch ab und fellen dann nochmal auf, damit die Tour nicht gar so kurz wird. Das hat sich auch gelohnt, wie wir im Nachhinein feststellen, da die Schneequalität in den Westhängen deutlich besser ist, als in der windgepressten Mulde die wir im Anschluss nach Osten abfahren. Super wirds dann im Wald, wo spannungsfeier Pulver zwischen den gerade weit genug auseinander stehenden Bäumen liegt, um fesch Slalom fahren zu können. Erst der letzte steile Ziehweg fordert nochmal volle Konzentration. Eng, ausgefahren und bereits wieder angefroren wird es höllisch schnell - und die Bachklamm ist nur wenige Meter entfernt. Bald sind wir wieder an der Wohnung und Programm vom Vortag wird schon fast zur Routine: Kaffee, Kuchen, Kochen...
Damit es sich lohnt haben wir den Montag noch ans Wochenende angehängt. Wieder herrscht strahlender Sonnenschein, wieder fahren wir in den Talgrund zum Parkplatz Steinwend. Heute steht aber nur ein einziges Auto hier. Es gibt anscheinend doch noch Leute, die wochentags etwas arbeiten. Unser Ziel ist heute das Gaishorn. Ein bereits zur Half-Pipe ausgefahrener Forstweg bringt uns hinauf ins Almgelände und durch tolle, recht flache Mulden geht es dem Gipfel entgegen. Hans entdeckt natürlich wieder eine Sprungschanze und darf dort eine halbe Stunde spielen, während der Rest pausiert oder fotografiert. Ohne Probleme steigen wir danach über die dick ausgetretene Spur zum Gipfel. Während der Pause fällt uns das gegenüberliegende Plankenhorn auf, in dessen Nordflanke noch einige Mulden unverspurt sind. Spontan beschließen wir, in die Scharte abzufahren und jenseits aufzusteigen.
Im Joch angekommen lacht uns dann noch der unverspurte Westhang an. Damit sich das Auffellen auch rentiert düsen wir diesen noch 200 Höhenmeter hinab. Der Gegenanstieg zum Plankenhorn ist dann nur noch Formsache. Wegen des Windharsches vom Vortag sind unsere Erwartungen etwas gedämpft. Umso mehr können wir dann die tollen Pulverhänge bis hinab zum Waldrand genießen. Auch wenn das Gelände zum Teil recht flach ist wirds eine super Abfahrt und die eingefahrene Straße läuft zügig hinab zum Auto. Den krönenden Abschluss des verlängerten Wochenendes bildet dann noch die Einkehr beim Mesnerwirt mit einer riesigen Pfanne Kaiserschmarrn.