Skitouren im Dunstkreis des Großglockners
Drei ergiebige Skitourentage auf der Südseite der Hohen Tauern.
Eigentlich hatte ich für das zweite Aprilwochenende eine Sektionstour für den Bergbund Rosenheim im Programm. Leider gab es zu wenige Anmeldungen und nachdem Freitag und Samstag schlechtes Wetter angesagt war hab ich den beiden verbliebenen Interessenten für eine private Tour auch abgesagt. Allerdings kristallisierten sich dann für Sonntag bis Dienstag brauchbare bis gute Tourenbedingungen heraus, so dass ich unter meinen Freunden der Alpenvereinssektion Bayerland nach Tourenpartnern Ausschau hielt und beim zeitlich flexiblen "Privatier" Peter fündig wurde.
Wie meistens verknüpfte ich den Spaß an Skitouren mit einigen zu erledigenden Aufgaben: Erstens recherchiere ich für den Panico-Verlag aktuell einen Skitourenführer Hohe Tauern und zweitens sollte ich im Auftrag der Firma Bergzeit einen Tourenski von K2 testen. Als Ziel bot sich daher Kals am Großglockner an. Das Gebiet kannte ich bisher erst von einem früheren Besuch und damals war leider das Wetter schlecht. Am Großglockner selbst war ich zwar im Winter schon zweimal, allerdings ist der letzte Besuch auch schon wieder neun Jahre her.
Erster Tag - Böses Weibl
Pünktlich um sieben Uhr steht Peter am Sonntag mit seinem Campingbus bei mir vor der Tür. Bei grauem Wetter gondeln wir über den Paß Thurn zum Felbertauerntunnel. Wie so oft präsentiert sich der Himmel ab dem Tunnel-Südportal in freundlicherer Optik und die ersten Wolkenlücken sind zu sehen. "Was hältst du vom Bösen Weibl als Auftakttour heute?" schlage ich vor. Peter ist einverstanden und so halten wir an der kleinen Parkbucht kurz unterhalb vom Lucknerhaus, wo die Tour beginnt. "Jetzt machen wir erstmal Brotzeit" beschließt mein Tourenpartner und nachdem wir für eine Frühjahrsskitour ohnehin zu spät dran ist ist es "eh scho wurscht".
Erst nach 10 Uhr marschieren wir los. Strahlender Sonnenschein, immer noch hart gefrorener Schnee und offensichtlich kaum andere Tourengeher, das scheint ein guter Tag zu werden. Das mit dem hartgefrorenen Schnee ändert sich bereits an der ersten südseitigen Querung wo gerade gute Firnbedingungen herrschen würden.
Das mit dem strahlenden Sonnenschein ändert sich kurz danach überraschend schnell, als von Süden dicke Quellwolken über den Bergkamm ziehen. Und die Bergeinsamkeit legt unter dem Gipfel eine kurze Pause ein, wo sich am Skidepot eine größere Tourengehergruppe zur Abfahrt bereit macht. Aufgrund des inzwischen dichten Nebels ist die Gruppe aber wenige Schritte später schon wieder außer Sichtweite. "Na bravo, eigentlich wollte ich von hier Übersichtsfotos für den Skitourenführer machen" motze ich ins Grau der Wolke.
Hilft nichts. Also fahren auch wir bald ab und ich kann die ersten Schwünge mit meinem Testski machen, wobei wir aber bei der extrem diffusen Sicht sehr defensiv unterwegs sein müssen. Bereits auf halber Strecke zum Peischlachtörl reißt der Himmel auf und die Sonne lacht vom Himmel und uns aus. Kurz unter dem Törl fellen wir nochmal auf und steigen noch aufs Kasteneck, von wo wir sogar nochmal einen zaghaften Blick auf den Großglockner erhaschen, um anschließend im nach unten immer tiefer werdendem Sulz zum Auto abzufahren.
Im nahe gelegenen Lucknerhaus beratschlagen wir im Anschluß den Plan für den morgigen Montag. Beim Blick auf den fast komplett gefüllten Parkplatz meint Peter zum ursprünglichen Ziel Großglockner: "Des gfreit mi grod überhaupt ned, mich morgen mit den Heerscharen am Glocknergipfel zu treffen" und fügt hinzu: "I waar für wos anders". Eigentlich hat er recht und ich werfe den Großen Muntanitz ins Rennen. Die Informationen zu dieser Tour sind recht spärlich, sowohl der steile Gipfelhang als auch der Rückweg über die Graue Scharte schauen in der Karte problematisch aus - insbesondere bei weiterer Erwärmung. Der Wetterbericht verspricht aber ein klare Nacht und wir nehmen uns vor, früh zu starten. Der Tag ist aber noch nicht vorbei - erst suchen wir für unseren Bus noch einen Schlafplatz und werden am Parkplatz des geschlossenen Campingplatzes fündig. Danach suchen wir uns was zum Essen und werden im Ködnitzhof fündig. Leider müssen wir wegen einer Betriebsfeier im Speisesaal im normalen Raum der Kneipe essen, wo in Österreich leider kein Rauchverbot herrscht. Das Essen schmeckt dann trotz des Gestanks, allerdings ist die Portion der Käsetaschen sehr überschaubar. "Bitte noch eine Hauspizza" bestelle ich nochmal nach. Der Wirt bringt die Pizza mit zweimal Besteck und blickt etwas irritiert als ich kund tue, dass ich nicht zu teilen gedenke. Nach der Pizza folgt noch ein Apfelstrudel mit viel Sahne als Nachspeise, dann laß ich es gut sein und bin mir halbwegs sicher, die Nacht ohne Hungerattake zu überstehen.
Zweiter Tag - Großer Muntanitz
Montag, fünf Uhr klingelt der Wecker. Nach einem gemütlichen Frühstück marschieren wir mit Ski am Rucksack direkt von unserem Stellplatz beim Campingplatz los am Dorferbach entlang, hinein in die düstere Daberklamm. Bald kommt ein stockfinsterer Tunnel, wo ich froh bin, die Stirnlampe eingepackt zu haben. Dann kommen jedoch erstmal keine weiteren Hürden, aber auch kein weiterer Schnee, so dass wir die Ski das flache Tal an der Bergeralm vorbei und über den ersten Hang hinauf bis zur Waldgrenze tragen müssen. Der Schnee ist noch bockhart gefroren, weshalb wir den Weiterweg mir Harscheisen angehen. In der Sonne wird es aber bald brütend heiß und im langsam antauenden Schnee schwitzen wir die Tausend Höhenmeter hinauf auf das Gradötzkees.
Ein steiler Südosthang trennt uns noch vom Gipfel, der schon recht weich und sowohl mit Ski als auch zu Fuß sehr anstrengend ist. Noch vor Mittag gibt es eine kurze Gipfelpause, dann drängt Peter schon wieder zum Aufbruch: "Brotzeit machen wir unten im Kar, den Hang sollten wir schnellstmöglich hinter uns bringen, bevor der noch mehr durchsumpft". Gesagt getan und die erste Schlüsselpassage ist sicher und ohne Zwischenfälle absolviert.
Danach schwingen wir in perfektem Firn nach Süden hinab bis auf Höhe der Sudetendeutschen Hütte. Noch rund 400 Höhenmeter Gegenanstieg warten jetzt auf uns. "Das schaut aber grimmig aus" meint Peter beim ersten Blick auf die Graue Scharte, unserem Übergang zurück ins Kalser Tal. Ich finde es weniger dramatisch als unseren Hang vom Vormittag und spure zuversichtlich drauf los. Der Schnee ist relativ weich und der Harschdeckel bricht unter dem Ski, so dass sich eine stabile Spur legen läßt, nur in einer hartgefrorenen Bahn eines Naßschneerutschs vom Vortag schnalle ich kurz ab.
Überraschend problemlos steh ich bald in der Scharte und blicke auf unseren Abfahrtshang. "Des geht gut hinten runter" rufe ich meinem Begleiter zu, der gerade die letzten Spitzkehren des Aufstiegs absolviert. Wir sind euphorisch. Gut 2000 Höhenmeter Aufstieg liegen hinter uns, 1500 Höhenmeter Abfahrt vor uns und größere Schwierigkeiten sind nicht mehr zu erwarten. Der erst Hang ist erwartungsgemäß sehr weich, aber gut fahrbar.
Sobald es etwas flacher wird, empfängt uns idealer Firn. "Wahnsinn - wie im Val di Mesdi" entfährt es Peter beim Anblick des dolomitischen Ambientes. Durch ein gigantisches Kar schwingen wir abwärts. Es folgen riesige Hänge bis zur Pahlalm. Erst danach wird die Schneeauflage lückriger, mit kreativem Fleckenpuzzle gelangen wir aber auf Ski zur Kehreralm. Von hier führt eine Fahrstraße nach rechts zur Skipiste, die aber schon mehrere Schneelücken aufweist und mir so Gelegenheit gibt, das Handling mit meiner Testbindung - Marker King-Pin - zu optimieren. Auf der bereits geschlossenen Skipiste gelangen wir direkt bis zu unserem Parkplatz.
Bei einer Kaffeepause am Bus beschließen wir uns heute abend ein Zimmer zu nehmen und uns beim Duschen die 2 cm dicke Salzkruste abzuspülen, um abends nicht dem Lokal verwiesen zu werden. Zwei benachbarte Bauernöfe im Kalser Ortsteil Glor kennen wir bereits, am bewährten Nigglerhof nimmt man uns gerne auf. Nachdem der Ködnitzhof heute geschlossen hat versuchen wir das benachbarte Kalser Eck und bekommen gutes Essen in großen Portionen. Daß es aber auch beim Essen Leute gibt, die fitter sind als ich, können wir anschaulich beobachten als sich an den Tisch gegenüber ein zwar kleiner, aber umso besser beleibter Italiener setzt. Nach einem wirklich großen Teller Spaghetti bestellt er sich den üppigen Schweinsbraten und danach noch Palatschinken als Nachspeise. Übrig bleibt kein Brösel. Respekt - und das vermutlich ganz ohne 2000 Höhenmeter in den Haxen.
Dritter Tag - Zollspitze
Für den nächsten Tag fehlt uns noch ein geeignetes Ziel. "Zweitausendhöhenmeter sollten es nicht mehr sein" meint Peter, auch mir steht eher der Sinn nach einer etwas kürzeren Unternehmung, da wir ja danach auch noch heimfahren wollen. Der Lawinenlagebericht Salzburg verspricht in seiner Vorschau eine weitgehend klare Nacht mit guten Abstrahlungsbedingungen. Die Glatzschneid beim Lucknerhaus ist uns dann doch etwas zu popelig für die zu erwartenden guten Bedingungen. Bereits vom Muntanitz ist mir das Teischnitztal aufgefallen und ich hab mich gefragt, was man dort so skitourenmäßig unternehmen könnte. Beim Blick auf die Karte erspähen wir dann den Zollkopf und schon steht der Plan für den nächsten Tag, mit 1400 Höhenmeter zwar deutlich gemütlicher aber doch noch a "gscheite Tour". Nach einem sehr ausgiebigen Frühstück und der Verabschiedung von unserer netten Gastgeberin starten wir eine gute Stunde später als am Vortag an der kleinen Parkbucht am Eingang des Teischnitztales. Erstmal ist alles grün hier, weshalb die Ski an den Rucksack kommen. Aber schon nach der ersten Kehre beginnt der Schnee. Nachdem wir aber noch mit vielen aperen Stellen rechnen tragen wir neben und auf den Schneestreifen noch eine halbe Stunde aufwärts. Nun gehts endgültig mit Ski und Harscheisen weiter, auf schmaler Straße in der steilen Waldflanke.
Nach etwa einer Stunde stehen wir vor der eindrucksvollen Schlucht "Mauriger Trog". Die Straße ist hier auf der rechten Seite in die Felsen gesprengt und im 35-45-Grad-Winkel vom Schnee bedeckt. Bockhart gefroren und immer wieder von kleinen harten Runsen durchzogen, durch die in den Vortagen Naßschnee drübergerutscht ist. Unangenehm an der Sache ist, dass die Straße seitlich anfangs 100 m in die Schlucht abbricht. Ausrutschen verboten. Positiv hingegen ist zu bemerken, dass die Fallhöhe mit jedem Meter, den man auf dem Schneeband hinter sich gebracht hat abnimmt. Nach etwa Dreiviertel der Strecke traue ich mich nicht über eine weitere heikle Runse. Links gehts zwar nur noch 30 Meter kurz über Fels, dann über Schnee runter, ein Sturz würde also vermutlich mit leichten bis mittleren Blessuren abgehen. Aber hätten wir die Steigeisen dabei, würde ich sie jetzt anziehen. Nach ängstlichem Herumgeeiere klettern wir hinab in den Schluchtgrund und steigen dort entspannt weiter.
Wenige Minuten danach ändert sich die Umgebung fundamental. Die enge Schlucht weicht einem geräumigen, ebenen Talboden, durch den wir gemächlich zur Bifangalm wandern. Kurz vor dem Talschluss steigen wir durch eine steile Rinne links hinauf. Leider ist der Schnee hier lange nicht mehr so gut durchgefroren wie im Talboden. Das ist zwar angenehmer zu gehen, weil man eine gute Spur machen kann und keine Harscheisen braucht, allerdings ist uns klar, dass wir hier in zwei Stunden nicht mehr abfahren sollten. Weil ich aber am Vortag schon damit gerechnet und auf der Karte eine günstigere Abfahrtsvariante ausgekundschaftet hab, entschließen wir uns weiter aufzusteigen. Nach der Steilstufe folgt gemütliches Skigelände mit sanften Mulden und gut durchgefrorenem Schnee. Nur der letzte Hang zum Gipfel der Zollspitze ist kurz noch einmal exponierter, aber schon ideal aufgefirnt und daher gut gangbar.
Der Ausblick ist gigantisch. Die eindrucksvollen Gletscherbrüche von Teischnitzkees und Fruschnitzkees liegen direkt gegenüber, ebenso die Stüdlhütte. Bald rüsten wir uns zur Abfahrt und schwingen in bestem Schnee hinab bis vor die Steilstufe. Hier halten wir uns ganz links und fahren durch die Mulde unterhalb der Keeswände in den Talboden ab. Im Firn schwelgen wir weiter bis zur Bifanghütte, wo wir die Gipfelbrotzeit nachholen. Eine kurze Skatingeinlage bringt uns an den Beginn der Schlucht. Wie easy das ganze doch jetzt bei der Abfahrt ist. 2-3 cm Butterfirn und über die unangenehmen Runsen rutscht man einfach drüber. Die folgenden Straßenkehren kürzen wir im lichten Lärchenwald ab und fahren dann teils auf nur gerade noch skibreiten Schneestreifen mit einmal für wenige Meter abschnallen bis zum Schneeende 50 Höhenmeter vor dem Parkplatz.
Sehr zufrieden genehmigen wir uns am sonnigen Stellplatz beim Campingplatz einen Abschlußkaffee und trocknen Felle, Strümpfe und Innenschuhe, bevor es auf bekannter Strecke durch den Felbertauerntunnel in die Heimat zurückgeht.