Lawinentraining in den Kitzbüheler Alpen 2012
Kitzbüheler-Durchquerung mit Lawinenkurs für Fortgeschrittene für DAV-Sektion Rosenheim
Der Umgang mit dem Lawinenrisiko ist elementarer Bestandteil des Skitourengehens. Im winterlichen Gebirge steht uns dabei ein breiter Handlungsspielraum zur Verfügung. Eine Skitour läßt sich so gestalten, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne Lawinenrisiko durchführbar ist. Oftmals bleibt dabei aber das Erlebnis auf der Strecke, beispielsweise weil Aufstieg und Abfahrt dann in Pistennähe stattfinden, weil es sich um eine überlaufene Modetour handelt oder weil die ersten Tage nach Neuschneefällen gemieden werden. Das andere Extrem wäre eine hochriskantes, rein erlebnisorientiertes Verhalten, wo ohne Rücksicht auf Lawinenlage die schönsten, steilsten und unberührtesten Hänge befahren werden. In diesem Fall ist es nur eine Frage der Zeit, bis die erste Lawine ausgelöst wird - was immer Lebensgefahr bedeutet. Diesen immer wieder auftretenden Konflikt zwischen Sicherheit und Erlebnis zu lösen ist die Intention unseres Lawinen-Entscheidungstrainings für fortgeschrittene Skitourengeher, das im Rahmen einer Gebietsdurchquerung durchgeführt wird.
Bei 40 cm Neuschnee und Lawinenwarnstufe 3 - 4 starten wir zu unserer Kitzbüheler Durchquerung am Gasthaus Wegscheid im Kurzen Grund. Die Sonne scheint, es ist aber so kalt, dass sie dem Pulverschnee kaum etwas anhaben kann. Perfekte Verhältnisse für den Kurs. Der Aufstieg zur Bamberger Hütte ist großteils unkritisch, trotzdem beobachten wir einige frische Schneebrettabgänge und kurz vor der Hütte müssen wir einen Hang unterhalb eines Schneemauls queren. Einzeln und zügig passieren wird die Stelle , die uns die heuer besonders präsente Gefahr von Gleitschneelawinen deutlich macht. An der Hütte angekommen gönnen wir uns eine kurze Mittagspause und planen den Nachmittag. Aufgrund unserer Beobachtungen und der Lawinenlage ist Zurückhaltung angesagt - trotz des verlockenden Pulverschnees. Die flache Route in Richtung Schwebenkopf sollte kein Problem sein, höchstens am Gipfelhang wird eine kritische Beurteilung fällig. So wühlen wir uns bald darauf gut knietief durch die unverspurte weiße Märchenlandschaft und stehen kurz vor Sonnenuntergang vor dem deutlich mit Triebschnee beladenen, etwa 30 Grad steilen Gipfelhang. Wir verzichten auf den letzten Anstieg und nach einigen schönen Bögen und viel Schussfahrt sitzen wir bald beim Abendessen.
Der nächste Tag ist gleich die Königsetappe. Weil wir am Gasthaus Steinberg keinen Platz bekommen haben, müssen wir bis zur Oberlandhütte. Das erste Stück in Richtung Kröndlhorn ist noch gespurt, aber schon bald verlassen wir die letzten Zeichen menschlichen Betretens und Micha spurt über gestuftes, aber teilweise mit viel Triebschnee beladenes Gelände in geschickter Routenführung hinauf an den felsigen Gipfelaufbau. Bei der Planung des Checkpoints hatten wir mehrere Optionen bedacht, vor Ort sehen wir jetzt, dass der Verlauf des Sommerwegs bis auf eine kurze Mulde komplett abgeblasen ist. Zu Fuß erreichen wir sicher den Grat und mit Ski gehts weiter zum höchsten Punkt.
Die Abfahrt ins Windautal ist ein Traum. Unverspurter Pulver bis zum Abwinken bei strahlend blauem Himmel. 1300 m tiefer ziehen wir die Felle wieder auf und in komplizierter Wegführung steigen wir nochmal 900 Höhenmeter auf zum Kleinen Tanzkogel. Wieder muss alles gespurt werden - aber zum Glück haben wir den Max dabei, der so auch auf sein Auslastungspensum kommt. Weitere 700 Höhenmeter unverspurte Pulverhänge bringen uns in den Talboden, wo zum Glück eine Schneemobilspur talauswärts führt, die wir beim letzten Tageslicht zur Oberlandhütte fahren und skaten.
Die nächste Etappe über den Schwarzkogel und Jochberg zur Bochumer Hütte ist weniger spektakulär, dafür steht uns mehr Zeit für die Ausbildung zur Verfügung. In mehreren Schneeprofilen finden wir die vom Lawinenlagebericht angesprochenen Schwachschichten. Den Reservetag an der Bochumer Hütte nutzen wir bei dichtem Nebel für das Üben der Verschüttetensuche und eine kürzere Skitour zum Gamshag.
Für den letzten Tag haben wir uns dann erneut ein Highlight vorgenommen. Die Lawinenlage ist inzwischen auf die Stufe 1 - 2 zurückgegangen, so dass wir nun deutlich steilere Hänge angehen können. Über das Hahnenkampl und einen jungräulichen, steilen Nordhang wechseln wir in den Auracher Graben. Wir steigen weiter auf die aussichtsreiche Sonnspitze und nach einer kurzen Zwischenabfahrt zum Weißkopfkogel. Der gut 35 Grad steile Nordosthang ist - natürlich - unverspurt, der Schneedeckenaufbau ist aber inzwischen so solide, dass wir ihn einzeln mit vertretbarem Risiko abfahren können. Hoch über dem Nebelmeer ziehen wir unsere Bögen in den knietiefen Pulver und ein weiterer Steilhang bringt uns hinab in die Nebeldecke und zu den Almwiesen oberhalb des Pletzergrabens. Bei schlechter Sicht flechten wir die letzten Zöpferl, bevor wir es durch das lange Tal hinauslaufen lassen nach Fieberbrunn. Leider verpassen wir den Zug nach Hopfgarten um 2 Minuten, so dass wir die Rückfahrt zu den Autos mit dem Taxi antreten müssen, was aber der rundum gelungenen Tour keinen Abbruch tut.