Großartige Skitouren im Pfitschertal
Sektionstour für den Bergbund Rosenheim in den Zillertaler Alpen
Nach einigen lässigen Tagestouren wird es Ende März mal wieder Zeit für einen etwas größeren Skitouren-Trip. Praktischerweise habe ich für den Bergbund Rosenheim eine 3tägige Fahrt ins Pfitschertal ausgeschrieben und im Gegensatz zum letzten Jahr sogar eine volle Teilnehmerliste. Die Wettervorhersage ist passabel, wenn auch die Nacht auf unseren ersten Tourentag, den Freitag warm und bewölkt sein soll und Sonntag schon die nächste Störung angekündigt wird. Zudem warnt der LLB vor vielen spontanen Nasschneelawinen. Daher wollen wir am Anreisetag bereits unterwegs eine westseitige Route machen und planen den Wolfendorn vom Brenner.
Am Ausgangspunkt beim Gasthaus Wolf erwartet uns daher erstmal der Frühling. Außer Schneereste ist am Parkplatz alles Grün und die Ski kommen an den Rucksack. Nach gut zehn Minuten erreichen wir die Waldgrenze und erste zusammenhängende Schneeflächen werden sichtbar. "So ein Brei" entfährt es mir, als ich den ersten Schritt in das ersehnte Weiß setze, das meinem Skischuh nullkommanull Widerstand bietet. Oberhalb der Alm wird der Schnee mehr und der Saumweg, der in Kehren durch den Wald führt scheind durchgängig schneebedeckt zu sein, so das wir mit Ski weitergehen. Bald weist die Schneeoberfläche eine brüchige Kruste auf und an der Waldgrenze trägt diese bereits. "Das könnte bei der Abfahrt doch ganz gut werden" spekuliert Max und ich stimme zu. Der Aufstieg über die Steilstufe ist griffig, aber ohne Harscheisen muss man sauber gehen. Danach wandern wir durch die schönen Mulden zügig hinauf bis unter den steilen Gipfelhang.
Wir sind super im Zeitplan, aber die ersten Verschleißerscheinungen im Team machen sich schon bemerkbar. Lambert und Berni beschließen sich den steilen Gipfelanstieg zu schenken und bereits Mittagspause zu machen. Der Rest spitzkehrt noch bis an die Felsen und stapft dann zum höchsten Punkt, wo zwischen den einzelnen Wolkenfetzen verlockende Blicke auf die gewaltigen Pfitscher (Ski-)Berge frei werden. Oben pfeift der Wind und so verkneifen wir uns eine längere Pause - auch um die beiden Kollegen unten im ebenfalls windigen Sattel nicht zu lange warten zu lassen.
Die Abfahrt übertrifft dann alle unsere Erwartungen. Auf der bockharten Unterlage haben sich oben 1-5 cm Pulverschnee abgelagert, die hier bereits eine Art "Firnfeeling" geben. Im Flachstück tut die Strahlung dann das ihrige dazu, dass auch der Harsch langsam anfirnt. So rauschen wir die ersten 400 Höhenmeter ohne Stopp hinab bis zu einem windstillen Brotzeitfels. Nach diesem Boxenstopp geht es bald gutem Firn weiter bis zur Waldgrenze und danach entlang des Ziehwegs in tiefem Bremserschnee zur Luegeralm. Auf den letzten Schneeresten rutschen wir über die Almwiesen hinab zum Sommerweg und 15 Minuten später haben wir die Ski bis zum Auto getragen.
"Der Parkplatz ist gratis, bitte kehrt doch bei uns ein" - so ähnlich steht es auf einem Schild am Gasthaus Wolf. Nach 1400 Höhenmetern und sehr frühem, kargem Frühstück hat ein jeder Durst und Hunger. Zeit haben wir auch genug - denken wir. In der urigen Gaststube hängen rudelweise tote Tiere herum, bzw. ihre Schädelknochen mit den verschiedensten hornigen Auswüchsen. Der Wirt ist augenscheinlich nicht mehr Jüngste und eine Urkunde an der Wand zeichnet ihn für 50 Jahre Gastwirtsdasein aus. Das muss man an dieser versteckten Lage hinter Bahngleis, Brennerautobahn und dichtem Wald auch erstmal durchhalten. Das Gasthaus wurde übrigens beim Bau der Autobahn aus dem Talgrund hier herauf umgesiedelt, womöglich zehrt es noch heute von der Abfindung von damals. Denn wir sind die einzigen Gäste und es sieht nicht so aus als ob es sonst überlaufen wäre.
Relativ bald kommen die bestellten Getränke. "Mein Kaffee fehlt noch" bemerkt Berni. Der Wirt nimmts kurz zur Kenntnis und erzählt uns dann aber erstmal ein paar Geschichten. Dann nimmt er die Essensbestellung auf und verschwindet in die Küche. Als er sich 10 Minuten später wieder zu uns gesellt fragt die Micha "Was ist mit dem Kaffee?" "Aja, der Kaffee - ja den mach ich dann schon noch" antwortet der Gastgeber, aber nicht um vorher noch ein wenig mit uns zu plaudern. Irgendwann kommt dann auch das braune Gebräu und der Berni kann sein Koffeindefizit ausgleichen. Auch fürs Servieren der bestellten "Schlutzer" und beim Abkassieren läßt sich der Chef des Hauses nicht aus der Ruhe bringen - bemerkenswert!. Bis wir endlich weiterkommen läuft noch viel Wasser die Eisack hinab - aber wir haben ja Zeit.
Es ist also bereits fortgeschrittener Nachmittag, als wir in Richtung Pfitschertal weiterfahren. Unsere dortige Unterkunft ist der Gasthof Stein am Talende - ein ähnlich rustikales Etablissement wie der gerade verlassene Brennerwolf. Auch hier sind wir die einzigen Gäste, aber die Wirtin versucht sogleich unsere Bedürfnisse zu erfragen. Nachdem sie von Berni und Lukas mehrmals zu hören bekommt, dass die Essensportionen auch "wirklich groß" sein sollen, läßt sie sich mit dem Abendessen nicht lumpen. Die junge Bedienung serviert bis zum bersten gefüllte Teller mit Hirtennudeln, nicht ohne den Hinweis: "Es gibt auch noch Nachschlag". Das lassens sich Lukas und ich nicht zweimal sagen. Bald sind wir pappsatt und die Kohlenhydratspeicher prall gefüllt für den kommenden Tag.
Der Schrammacher ist einer der höchsten Zillertaler Berge und eines der lohnendsten Skitourenziele am Talschluss von Pfitsch - den wollen wir angehen. Für ein Frühstück vor 6 Uhr war unsere Wirtin nicht zu begeistern und so marschieren wir gegen 7 Uhr entlang der noch mit Schnee bedeckten Pfitscher-Joch-Straße aufwärts. Die weiten, flachen Kehren lassen sich gut abkürzen und auf der nach klarer Nacht bockhart gefrorenen Schneedecke montieren wir am ersten Steilhang die Harscheisen. Am Pfitscher Joch erwartet uns im kristallklaren Morgenlicht ein geniales Panorama - von der eindrucksvollen Grabspitze über die monumentale Hochfernerwand bis zur Hohen Wand.
Der Weiterweg wird nun deutlich flacher. Über die Zillerflecke steigen wir an den Rand des Stampflkees, wo wir das Gurtzeug anlegen. Im oberen Teil des Gletschers gibts immerhin einige Spalten und bei einer Alpenvereinstour möchte ich nicht riskieren, dass mir ein Teilnehmer ohne Gurt in einem Loch verschwindet. Da die Schneedecke aber so gut gesetzt ist, dass man entlang der Spuren nicht mit Spaltenstürzen rechnen muss verzichten wir erstmal auf das Seil. Am Skidepot haben wir bereits 1700 m hinter uns. Nun heißt es zu Fuß weitergehen. Da ich die Bedingungen nicht abschätzen kann, legen wir alle Steigeisen an. Letztendlich wärs auch ohne gegangen, wobei ein paar leichte, kombinierte Passagen so sicherlich angenehmer zu bewältigen sind. Leider wolkt es am Gipfel etwas herum, ein Teil der umliegenden Eisriesen bleibt unseren Blicken daher verwehrt.
Der Auf- und Abstieg mit der Gruppe zieht sich etwas in die Länge, so dass wir fast eine Stunde später mit der Abfahrt beginnen, wie ich geplant hatte. Trotzdem wird es ein Wahnsinns Firnrausch. Wir beschließen den großen Gletschertrog ganz bis nördlich unters Pfitscherjoch hinab zu fahren und lieber nochmal 100 m Gegenanstieg in Kauf zu nehmen, um noch mehr von der Abfahrt zu haben. Nach einer kurzen Rast am Joch wühlen wir uns dann im tiefen Sulz hinab zur 4. Kehre der Straße und rutschen bzw. schieben auf dieser ins Tal.
Zurück am Gasthof gibt es erstmal einige Durstlöscher auf der Sonnenterrasse, bevor so nach und nach jeder mal die Duschen austestet. "Das Wasser ist ja eiskalt" moniert Lambert, "dafür rinnts aber nur dünn" entgegnet Berni. Nunja zweiteres kann ich selbst bestätigen: Nachdem ich es fünf Minuten hab tröpfeln lassen wurde es aber sogar einigermaßen warm. Zum Waschen hats gereicht. Luxuriösen Komfort sollte man sich in den den älteren Berggasthöfen nicht erwarten, dafür sind sie preisgünstig und die Aufnahme ist herzlich, was mir viel lieber ist als teurer, moderner Schnickschnack.
Für Sonntag ist ab Mittag eine Störung angesagt. Nach den 2000 Höhenmetern vom Vortag ist aber bei den meisten Teilnehmern ohnehin der ungeduldige Bewegungsdrang abgebaut und so wollen wir wieder ein etwas moderateres Ziel angehen. Die Felbespitze ist einer der drei großen Nordkar-Klassiker des Pfitschertales und derjenige, wo ich das kürzeste Tragestück durch die Waldstufe und den besten Schnee vermute. Am benachbarten Roten Beil sieht der letzte Steilhang recht schneearm aus und an der Grabspitze liegen fast im ganzen Kar große Lawinenkegel.
Große Lawinenkegel sollen wir aber auch an der Felbespitze sehen. Bereits an der Waldgrenze überqueren wir den ersten und der große Kessel oberhalb der Viedalm war vor zwei Wochen anscheinend meterhoch von gewaltigen Lawinen verschüttet worden. Die inzwischen überschneiten Kegel stellen aber keine größeren Hindernisse dar und so gewinnen wir zügig an Höhe. Aufgrund der Zeitumstellung während der vergangenen Nacht sind wir eine Stunde früher dran und das macht sich auch in der Schneequalität bemerkbar. Die Schneeoberfläche ist in die Gratscharte noch gefroren. Dort wechseln wir auf die Südostseite des steilen Gipfelaufbaus. Bei dessen Anblick wechseln Berni, Schorsch und Micha sogleich in den Brotzeit-Modus, während ich mit Max und Lukas im Firn bis zu dem Felsriegel weitersteigen. Dort deponieren wir die Ski. Die Steigeisen haben wir heute unten gelassen. Eine kurze Steilschrofenstelle ist etwas heikel, hier wären sie von Vorteil. "Mir gefällt das nicht mehr" sagt Max und dreht um, mit Lukas stapfe ich danach wieder im tiefen Schnee weiter zum Gipfel. "Ich hab meine Steigeisen im Rucksack" offenbart Lukas - "die ziehe ich im Abstieg doch lieber an".
Als wir endlich wieder am Brotzeitplatz ankommen sind die Anderen im aufkommenden Wind bereits durchgefroren und harren ungeduldig der Abfahrt. Der erste Hang ist noch verharscht, dann firnt es zunehmend auf und es folgt eine weitere traumhafte Firnabfahrt bis zur Waldgrenze. Die folgenden 150 Höhenmeter bis zum aperen Sommerweg sind im tiefen Sulz durch dichtes Gestrüpp eher die "Pflicht". Im flachen Talboden können wir an einem Ziehweg für die letzten 100 Hm bis zum Bach nochmal die Ski anschnallen. Die Heimfahrt beschließen wir mit einem Stopp an einem Cafe kurz vor Sterzing und gemütlichem Ausklang auf der Sonnenterrasse.
Fazit: Ein sehr ergiebiger Ausflug nach Südtirol, der für den diesjährigen, recht schneearmen Winter nahzu das Maximum an Tourenausbeute ermöglichte. Vielen Dank an alle sechs Teilnehmer fürs Mitkommen und die schönen Tourenerlebnisse.