Familienwochenende auf der Griesneralm
Hochwinter mit den Kindern im Herzen des Wilden Kaisers
"Papa was machst du da?" fragt meine Tochter neugierig. "Ich passe gerade Felle auf deine Ski an". Ein paar alte Steigfelle von meinem Dynafit-Baltoro hab ich noch im Keller gefunden, die zwar nicht mehr gescheit kleben, dafür aber bei Pappschnee schnell stollen und mich letztendlich so genervt hatten, dass ich mir neue gekauft hab. Aber für ein paar kurze Skitouren im Pulverschnee sollten sie es mit frischem Kleber eigentlich schon tun. Also kurzerhand auf Fionas einen Meter kurzen Kinderski zugschnitten, den alten Papp runtergemacht und neuen aufgetragen. Fertig ist das Kinder-Tourenfell.
Warum der ganze Aufwand? Die Familiengruppe der Sektion Bayerland trifft sich einmal im Jahr an der Griesneralm im Wilden Kaiser zu einem Winterwochenende. Während einige Eltern Skitouren unternehmen, können die Kinder Schneeburgen bauen, Schatzsuchen mit LVS und Rodeln, daneben steht für sie dabei auch ein erstes "Hineinschnuppern" ins Skitourengehen auf dem Programm. Und Fiona ist schon ganz gespannt was das mit den ominösen Skitouren eigentlich so auf sich hat, denen ihre Eltern so viel Zeit widmen.
Das Herrichten der Steigfelle ist allerdings noch das geringste Problem für das Wochenende. Beim Packen stellen wir fest, dass so ein Winterurlaub mit zwei Kindern inklusive Skitourenausrüstung und Schlitten eine logistische Herausforderung darstellt, besonders wenn Krempel und Kids irgendwie zur Unterkunft befördert werden müssen. In dem Chaos kann es dann schon mal passieren, dass man was vergisst. Aber zuerst haben andere etwas vergessen. "Könnt ihr auf dem Weg noch bei uns vorbeifahren und Emilias Tourenskischuhe mitbringen, die stehen vor der Haustüre?" schreibt mir Nicole. Naja - die haben auch vier Kinder dabei: also Chaos hoch zwei.
Wir starten am Samstag und sind gerade auf der Autobahn, als wir schon im Skifahrerstau feststecken. Genug Zeit also, um noch einmal die Ausrüstung im Kopf durchzugehen und festzustellen, dass wir Fionas Skistöcke vergessen haben. In ihrem Pisten-Skikurs hatte sie sie ja nicht gebraucht. Also nach längerwierigem Gezuckel gleich wieder ein Zwischenstopp in Durchholzen beim Skiverleih und schnell für zwei Euro Stöcke geliehen.
Am Ausgangspunkt an der Griesenau ist es noch eiskalt. Bei -10 Grad erwartet uns ein schattiger Aufstieg entlang der Langlaufloipe bis zur Griesneralm. Fiona möchte mit Ski raufgehen zur Griesner, dazu hat uns Nicole die Bindungsadapter unter ihrem Bus deponiert. Allerdings sind Fionas Schuhe noch zu klein für die kürzeste Einstellung. Zum Glück finde ich noch eine alte Reepschnur im Auto, mit der ich sie auf dem Einlege-Adapter festschnüre, so wird der Ausdruck "Bindung" seiner ursprünglichen Bedeutung wieder gerecht.
Normal marschiert man mit Tourenski gemütlich in einer Stunde hinauf, aber mit Kindern kalkulieren wir bei Wanderungen gut die doppelte Zeit ein. Bereits bei den ersten Schritten verwerfe ich den Zeitplan und sehe, dass es heute noch etwas länger dauern wird. Fiona ist noch nie mit Tourenski gegangen und anfangs tut sie sich sehr schwer. Die Kälte macht ihr zusätzlich zu schaffen. Aber sie schlägt sich tapfer und gewöhnt sich schnell an die neue Bewegung, bald wirds ihr auch warm. Amira marschiert zu Fuß, bzw. wir haben einen Schlitten dabei, auf den sie sich dann setzen darf, wenn sie nicht mehr kann/mag. Gut drei Stunden brauchen wir letztendlich bis zur Hütte, aber beide Kinder hatten dann trotz der Kälte ihren Spaß und kein einziges Mal gemeckert, dass es ihnen zu anstrengend sei.
Allerdings reicht es unserem Nachwuchs für heute mit Outdoor und sie spielen mit den anderen Kindern im Haus. "Wo sind denn die Windeln?" fragt Sabine beim Auspacken. Amira braucht zumindest in der Nacht noch welche, aber diese liegen wohl noch daheim. Tja - jetzt ist guter Rat teuer. Ich wollte am Nachmittag eigentlich eine kurze Skitour machen - diese führt jetzt nochmal ins Tal und zum M-Preis nach Kössen. Zum Glück kann man die Strecke vom Parkplatz zur Alm aber auch in einer Dreiviertelstunde bewältigen, wenn man etwas zügiger geht.
Der Abend vergeht anschließend wie im Flug. Die vielen Kinder machen ordentlich Rabatz, die Bewirtung der Familie Dornauer ist hervorragend und als die "Kurzen" endlich im Bett sind, kann man sich doch tatsächlich noch eine Zeit lang in Ruhe unterhalten. Als Ziel für den nächsten Tag steht die Fritz-Pflaum-Hütte auf dem Programm, die Eigentum unserer Sektion Bayerland ist. Nach einem turbulenten vergangenen Vereinsjahr hat der langjährige Hüttenwart Tom Tivadar sein Amt niedergelegt, weshalb sich der Stefan jetzt um die Hütte kümmert. "Könnt ihr mir den Fensterladen ausmessen, der im Hüttenwartskammerl liegt?" bittet er uns. Den Schlüssel für die Kammer möchte er uns mitgeben.
Sonntag früh: ein genialer Wintermorgen. Gleich nach dem Frühstück geht's los. Die Russnleite haben wir schon fast hinter uns, als Kathrin fragt: "Habt ihr eigentlich den Schlüssel für die Kammer dabei?" Haben wir natürlich nicht! Stefan ließ sich zum Frühstück noch nicht blicken und von uns hat sonst keiner daran gedacht. Till reißt die Felle von seinen Skiern und fährt nochmal hinab zur Alm. Wir schwingen ihm bis zum Ende des Hanges hinterher. Diese Entscheidung fällt uns nicht schwer bei dem schönen Pulverschnee. So bringen wir wenigstens die 1000 Hm für eine ausgewachsene Skitour voll. Damit es sich nicht zu leicht anfühlt, füllen wir am Holzdepot die Rucksäcke mit Brennmaterial und steigen weiter zur "Pflaumei".
Unser Auftrag ist schnell erledigt und bevor wir uns an die Abfahrt machen steigen wir noch ein Stück weiter bis zum Sattel südlich des Kleinkaiser, um im westlichen Kar abfahren zu können. "Der Schnee war hier aber schon mal besser!" bemerke ich. Viele zerackerte Stücke wechseln mit windgepressten Abschnitten und vereinzelten Pulverschneepassagen. Mein neuer K2 Wayback meistert die schwierigen Bedingungen zwar tadellos, entspanntes Wedeln schaut jedoch anders aus. Wieder an der Alm gibts erstmal Kaiserschmarrn für alle (... die noch da sind). Damit verbraten wir eine Spende der Stadt München, die uns der OB als Zuschuss "für eine Weihnachtsfeier" zukommen ließ.
"Machst du mit mir auch noch eine Skitour" möchte Fiona wissen? Am Vormittag mit den größeren Kindern hat sie sich nicht mitgehen getraut, daher gibt es eine Exklusivtour mit dem Papa. Wir steigen den Südhang hinter der Alm hinauf bis zur Waldgrenze. Das klappt erstaunlich gut mit den Bindungsadaptern und auch ihre Pistenskischuhe machen ihr keine Probleme. Ihre erste Tiefschneeabfahrt absolviert sie mit Bravour und ist danach fast so stolz wie ihre Eltern. Am meisten freut uns, dass es ihr offensichtlich Spaß gemacht hat und es sicher nicht ihre letzte Skitour war.
Spannend wird im Anschluß die Abfahrt ins Tal. Ich ziehe Amira am Schlitten wie einen Hund hinterher. Lenken kann sie noch nicht, aber Bremsen geht so einigermaßen. Auf den steileren Stücken stemmt sie auf mein Kommando "Bremsen!" ihre Füße auf den Boden, so dass sie mir nicht in die Hacken fährt. Da wir entlang der Loipe abfahren entfällt das Lenken - eine Kufe des Schlittens in der Spur reicht aus, um wie auf Schienen abwärts zu brausen. Da Fiona noch nicht skaten kann, zieht Sabine sie auf den Flachstücken an einer Bandschlinge hinterher. So sind wir in einer halben Stunde wieder am Auto.
Fazit: Es war ein gelungenes Wochenende bei dem Eltern und Kinder ihren Spaß hatten. Vielen Dank an Nicole von den Bayerländern fürs organisieren und an die Familie Dornauer von der Griesneralm für die herzliche Bewirtung.