Rucksack-Apotheke am Berg
Keep it simple oder: Die goldene Mitte
by Dr. Nicole C. Eckert
- Einige Worte vorab
- Die Mini-/Sportkletter-Apotheke
- Tages- und Mehrtagestouren-Apotheke
- Anwendung
- Kinesio-Tape am Berg
- Quellen
1. Einige Worte vorab
Die folgenden Empfehlungen beziehen sich auf Tages- und Mehrtagestouren im Alpenraum, nicht hingegen auf Fernreisen und Höhenbergsteigen. Es handelt sich ferner um meine persönliche Empfehlung für eine Bergapotheke. Diese ist bei mir in den letzten 20 Jahren sowohl aus eigenen Erfahrungen als bergsteigende Ärztin als auch durch zahlreiche Kurse bei der Bexmed (Deutsche Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin) und Literatur wie von Walter Treibel (siehe Quellen) gewachsen.
Die Bergapotheke fängt bei mir schon mit der Rucksackaufteilung an. Die Sam-Splint-Schiene ist als zweiter Boden immer im Rucksack. Ebenso das Dreieckstuch, das schnell griffbereit im Deckelfach wohnt. Dort wohnt auch die Mini-/Sportkletter-Apotheke, ohne die ich nicht losziehen darf und: die SOFORT griffbereit sein muss, sodass ich zur Not auch in einer Wand schnell eine Platzwunde versorgen kann, ohne großes Wühlen und Abstellen vom Rucksack.
Für etwas größere Touren habe ich die klassische Bergapotheke dann als gut sortiertes Paket im Rucksack. Ich unterscheide dabei nicht zwischen Tages- und Mehrtagestouren, sondern berücksichtige eher die Qualität und infrastrukturelle Anbindung der Tour und die Anzahl der Personen, die ich medizinisch zu versorgen habe. Auch wenn Sport- und Eisklettern unfallträchtiger sind als beispielsweise eine Karwendeldurchquerung, reicht mir meine Mini-Apotheke, wenn das ganze in Straßennähe stattfindet, vollkommen aus, während ich auch bei einfachen Wanderungen meine klassische Bergapotheke mitführe.
Dabei ergänzen sich meine Einzelbausteine. Das heißt, die Mini-Apotheke, die im Deckelfach wohnt, zieht niemals aus. Sie wird nur durch die klassische Bergapotheke ergänzt, welche alleine lückenhaft wäre (da sich z. B. Novalgin nur in der Mini-Apotheke befindet). Bei aufwändiger unterteilten Rucksäcken mit mehreren Außenfächern, wie bei einem BW Rucksack, bietet es sich an, auch für die klassische Bergapoheke eine schnell zugängliche Seitentasche zu reservieren. Damit behält man Ordnung und Überblick und hat man im Notfall ohne Wühlerei alles Wichtige schnell zur Hand.
Ich habe eine etwas andere Einteilung als zum Beispiel Walter Treibel in seinem Standardwerk "Erste Hilfe und Gesundheit am Berg und auf Reisen", was nicht heißt, dass ich das eine besser oder schlechter finde. Treibels Buch kann ich unbedingt empfehlen und dessen Modul-Einteilung liegt vielleicht anderen noch besser als meine Empfehlung. Aber viele Wege führen eben nach Rom und ich kann nur raten, die eigene Wahrheit aus vielen fremden Anregungen zu ziehen. Nicht nur beim Packen der Bergapotheke. In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß beim Durchstöbern meiner kleinen Berg-Ambulanz und bin freue mich über konstruktive Kritik und neue Ideen.
2. Die Mini- oder Sportkletter-Apotheke
Mini-Apotheke im Deckelfach | Rucksack |
Dreieckstuch | Sam-Splint-Schiene |
1x Verband | |
1x sterile Kompresse | |
Steri-Strips („Klammer-Pflaster“) | |
Tape | |
Novalgin-Tropfen (Schmerzmittel) | |
Schere (im Taschenmesser) |
Mit der Mini-Apotheke kann ich innerhalb weniger Minuten Platzwunden versorgen und blutende Wunden mittels Druckverband stillen. Außerdem ist eine Schmerztherapie verfügbar, auch wenn das Gelände ausgesetzt und ein Ablegen des Rucksacks nicht möglich ist und man ggf. in unvorteilhafter Position auf den Hubschrauber warten muss.
3. Die klassische Bergapotheke
Deckelfach | Rucksack (Verbandsmaterial) | Rucksack (Medikamente) |
Dreieckstuch | Sam-Splint | Hustentabletten mit Codein |
1x Verband | Pflaster | 10 Stk. Ibuprofen 400 mg |
1x sterile Kompresse | 3x sterile Kompressen | 10 Stk. Trental 400 mg |
Steri-Strips | 2x Verband | Nasenspray |
Tape | Blasenpflaster | Pfefferminzöl |
Novalgin-Tropfen | Steri-Strips | Fenistil-Gel |
Schere | Kinesio-Tape | Voltaren-Gel |
2 sterile Kanülen | Aciclovier-Salbe | |
1 sterile Spritze | Augentropfen | |
1 Pinzette | Octenisept Desinfektionsspray | |
1x sterile Handschuhe | ||
Güdel-Tubus |
4. Anwendung und Dosierung der vorgestellten Medikamente und Materialen
Deckelfach | Einsatz / Anwendung |
Dreieckstuch | Armschlinge, Druckverband, improvisiertes Tourniquet ( (Abbinden =>Leitsatz „Stop the Bleading“) ) |
Verband | Wundverband |
sterile Kompresse | sterile Wundabdeckung |
Steri-Strips | Platzwundenverschluss |
Tape | Stabilisierung, Befestigung |
Novalgin-Tropfen | Schmerzmittel, 40 Tropfen, nur beim wachen Patienten mit Schutzreflexen |
Schere | |
Verbandsmaterial | |
Sam-Splint | Schienen von Knochenbrüchen auf Zug, Halskrawatte bei fraglichem Halswirbelsäulenbruch |
Pflaster | |
sterile Kompressen | sterile Wundabdeckung |
Verband | |
Blasenpflaster | |
Steri-Strips | Platzwundenverschluss |
Kinesio-Tape | Siehe 5. |
sterile Kanülen | Wundversorgung |
sterile Spritze | |
Pinzette | Wundversorgung |
sterile Handschuhe | Wundversorgung |
Güdel-Tubus | Freihalten der Atemwege bei bewusstlosen Patienten (geht auch improvisiert mit einem abgeschnittenen Trinkschlauch, den man in die Nase einführt und bis zum Rachen vorschiebt) |
Medikamente | |
Hustentabletten mit Codein | Bei störendem Reizhusten nachts im Matratzenlager |
Ibuprofen 400 mg | Leichte Schmerzen, Kopfschmerzen, Knochenschmerzen, Schwellungen, Halsschmerzen; max. 3x 1/Tag |
Trental 400 mg | Bei Erfrierungen oder prophylaktisch; max. 3x1/Tag; Anwendungsverbote beachten! |
Nasenspray | |
Pfefferminzöl | Kopfschmerzen, Verspannungen |
Fenistil-Gel | Sonnenbrand, Mückenstiche |
Voltaren-Gel | Sportverletzungen |
Aciclovier-Salbe | Lippenherpes |
Augentropfen | Bindehautentzündung, Strahlenreizung der Bindehaut am Gletscher |
Octenisept Desinfektionsspray | Desinfektion offener Wunden, Händedesinfektion vor Versorgung offener Wunden, Händedesinfektion bei Darm-Infekten |
5. Kinesio-Tape am Berg
In der Sportmedizin haben die elastischen Acryl-Tapes längst Einzug gehalten und können, wenn man sie in einem realistischen Therapiefeld einsetzt, großes leisten. Die pathophysiologische Überlegung dahinter ist sehr einfach, aber überzeugend. Über Hautrezeptoren wird Einfluss auf die Propriozeption, Bänder und die Durchblutung der Muskulatur genommen. Es ist somit bei grober Kenntnis der Anatomie von Muskel- und Bandapparat eine elegante und schnelle Methode, muskuloskeletale Schmerzen zu lindern, den Konsum von Schmerzmitteln zu reduzieren, kleine Haltungskorrekturen vorzunehmen, die Resorption von Schwellungen zu fördern und muskuläre Verspannungen durch eine verbesserte Durchblutung zu lösen. Am Berg sind es besonders Nackenverspannungen, Rückenschmerzen (Lumbalgien), Ansatztendinosen (Entzündungen an den Sehnenansätzen), Karpaltunnelsyndrome u.a., die positiv beeinflusst werden können. Außerdem ist das flexible Tape wunderbar geeignet, um Blasenpflaster und jegliche andere Verbände besser zu fixieren. Man kann mit den Tapes problemlos Sport betreiben, sie halten 3-5 Tage, man kann mit Ihnen duschen und die Anwendung ist einfach. Empfehlenswert ist es, sich in die Thematik einzulesen oder einen Kinesiotape-Kurs zu besuchen.
6. Quellen
- Förster und Berghold: Lehrskriptum Alpin-und Höhenmedizin; Österreichische Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin und Deutsche Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin; 14. Auflage, 2012
- Treibel: Erste Hilfe und Gesundheit am Berg und auf Reisen; Bergverlag Rother; 2. Auflage, 2012
- Kumbrink: K-Taping – Ein Praxishandbuch; Springer-Verlag, 1. Auflage, 2009
Autorin
Dr. Nicole C. Eckert
Zusatzbezeichnung Notfallmedizin,
Diploma of Mountain Medicine
Mitglied der Bexmed (Deutsche Gesellschaft für Höhen- und Expeditionsmedizin)
Tätig in der Abteilung für Anästhesiologie des Klinikums Großhadern, LMU