Südwandklettern zum Jahresausklang
Sonniges Saisonfinale am Saubichel
Und wieder einer dieser Tage in diesem nicht enden wollenden Spätherbst, der laut Kalender bereits ein Winter sein sollte: Knackig blauer Himmel, Sonne von morgens bis abends und kein Schnee weit und breit. Außer Kunstschnee natürlich, der in den Pistengebieten haufenweise herumliegt, der aber meines Vaters Sohn keine noch so lange Winterabstinenz ersetzen kann. Da gehen wir doch lieber Klettern!
Wir sind dieses mal nur zu zweit und mit Stefan diskutiere ich die in Frage kommenden Südwände: Er schlägt die Krettenburg vor. "Da waren wir erst vor kurzem, aber diesmal ist es deutlich kälter und es soll noch etwas Wind wehen" => Weichei-Veto. "Wie wäre es mal wieder mit dem Schleierwasserfall?" meine ich. "Geht sicher gut, aber der Zustieg ist doch recht lang, dafür die ist der Tag fast ein wenig kurz!". "Ja stimmt und am Hauptsektor ist bestimmt alles voll wo ich raufkomme" engegne ich. Stefan schlägt das Pleitewandl vor. "Da kommt die Sonne aber vormittags erst sehr spät rein und am Nachmittag verschwindet sie recht bald wieder hinter dem Berg". Achleiten ist sicher recht voll, dazu stehen im linken Teil viele Bäume am Wandfuß und gerade dort finden sich die eher leichteren Routen für mich, so dass mein Sicherungsmann dann im Schatten frieren müsste. Dazu nervt in Achleiten am Nachmittag wenn es gerade am schönsten ist der Pölven, hinter dem die Sonne mindestens eine halbe Stunde zu früh abtaucht. "Wie ist denn der Saubichl", will Stefan wissen. "Puh - von der Sonne her müsste das gut sein - zumindest im rechten Teil" antworte ich. "Allerdings hab ich kein Topo und kenn auch nur einen Teil der Routen, dazu war ich schon länger nicht mehr dort". Das stört meinen Kletterpartner nicht: "Für einen Tag werden wir schon genug finden, und sicher sind ein paar Leute dort, die sich auskennen."
Damit ist die Entscheidung gefallen. Nach dem Zustieg bei eisigen Temperaturen wirds am Wandfuß schon etwas angenehmer. Stefan spaziert gleich mal einen schönen Warm-up rauf: "Bunny be better" (6+). Ich folge sehr ungelenk und meine Finger werden mit jedem Griff kälter statt wärmer. An der "Schlüsselstelle" stelle ich mich durchaus blöd an und löse sie mit einer selten "gichtligen" Bewegung. Naja, kann nur besser werden, denn eigentlich ist es eine richtig schöne Route. Gleich daneben leuchtet eine aufreizend glatte Platte runter, in der jemand kiloweise Expresschlingen in diversen Hakenverlängerungen hinterlassen hat. Den Lockungen kann Stefan natürlich nicht widerstehen, obwohl wir keine Ahnung haben um welche Route es sich handelt, bzw. welche Bewertung ihn ungefähr erwartet. Mit ist gleich klar, dass ich dort nicht antreten brauche.
Im Toprope klettert er nochmal die "Bunny" rauf und ich lass ihn oben über die Route ab, wobei er die einzelnen Stellen sorgfältig ausbouldert. Ich hab währenddessen genügend Zeit den tollen Ausblick und die zunehmend wärmere Sonne zu genießen. .... und freue mich über die Vorzüge des Gri-Gri. Denn die Linie hat es offensichtlich in sich. Viele Versuche braucht er, bis er für die beiden schwierigsten Boulder brauchbare Lösungen findet. Letztendlich schafft er aber zumindest die Einzelboulder und entscheidet sich später nochmal von unten einzusteigen.
Dann bin ich wieder dran. Links gibts den "Friedefürst", offensichtlich eine Kreation vom Erg, dem "Kletterpforrer" wie man am Namen und dem charakteristischen Plättchen erkennen kann. Damit sollte die Tour mit ausreichend Humanität für meine aktuelle Kletterverfassung gesegnet sein, um mich zumindest hineinwagen zu können: "Schau ma mal". Die anfängliche Verschneidung ist einfach, erfordert aber ein paar alpine Fertigkeiten und Vorsicht, um am bevölkerten Einstiegsbereich nicht Angst und Schrecken zu verbreiten. Ein erster Wulst löst sich gut auf, bevor ein sehr garstig aussehender Bauch folgt. Offensichtlich führte die gedachte Linie rechts davon über die Verschneidung weiter, aber vom dortigen Bolt wurde das Plättchen entfernt. Ich vermute wegen des nicht verwachsenen Felsblocks, der dort klebt. So muss ich links über eine zaache Boulderstelle an einer Fixschlinge über den Wulst. Ich kriegs nicht hin und ziehe mich technisch drüber. Danach folgt großgriffige Henkelkletterei zum Ausstieg.
Danach ist der Stefan wieder dran. Inzwischen haben wir von anderen anwesenden Kletterern auch erfahren um welche Route es sich bei seinem Projekt handelt. Mit "Bedlbuz" (8b, bzw. glatt 10) hat er sich mal wieder in ein echtes Highlight verguckt. Relativ problemlos klettert er bis zum ersten Boulder, fällt dort aber ab. Der nächste Versuch klappt und er klippt den stark verlängerten nächsten Haken. Beim Blick zurück merkt er, dass sich die Schraube des Hakens unterhalb gelockert hat. Er streckt die Hand aus, um sie festzudrehen. "Mist" entfährt es ihm. Die Mutter fällt bei der ersten Berührung runter und verschwindet auf Nimmerwiedersehen im Laubwald. Die lose Lasche mit samt den Projekt-Espressen klippt er zum oberen Haken und ich gebe die Info an die Locals weiter, damit der Projektierer beim nächsten Besuch nicht umsonst kommt. Nachdem ihm nun nicht nur die Motivation für einen weiteren Versuch, sondern bald auch Maximalkraft und Hornhaut für den oberen Boulder fehlen, wird die Route zumindest für heute zu den Akten gelegt.
Vom etwas kühlen Sicherungsplatz zieht es mich jetzt um die Ecke zum saugemütlichen Einstieg von "Rass 7en" - einem der Top-Klassiker des Gebiets. Der Name sagt schon alles, es soll sich um einen "rassigen" 7er handeln. Von unten schaut die Tour fatzen-easy aus, aber ich kann mich noch vage erinnern, dass sie mir vor einigen Jahren nicht leicht gefallen ist - und damals bin ich deutlich besser geklettert. Tatsächlich stell ich mich schon am zweiten Haken blöd an und fall gleich mal raus. Beim zweiten Anlauf gehts dann, dafür fürchte ich mich weiter oben in der Platte zu einem relativ weit entfernten und für mich ungünstig zu klippenden Haken. Trotzdem schöne Tour und ich beschließe, sie nach Stefan nochmal im Nachstieg zu klettern.
"Wenn wir schon mal da sind, bleiben wir gleich hier" und klettern links daneben noch mehrere der schön in der Sonne gelegenen Routen: Stefan bouldert im Toprope durchs unübersichtliche "Betthupferl" (9-), steigt mir den "Geraden Otto" (8-) vor, macht danach noch "Ocha do" (8-/8), bevor ich mich im "Littl Pumpriss" (6+) ausklettere. Kurz darauf senkt sich die Sonne hinter die Kitzbüheler Alpen und wir packen unsere Sachen und marschieren hinab in den kalten Talkessel zu unserem Auto.