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Notfallmanagement beim Bergsteigen

Wer viel beim Bergsteigen, Klettern, Skitourengehen oder auch Wandern in den Bergen unterwegs ist, wird früher oder später mit einer Notsituation konfrontiert werden. Selbst an sich harmlose Verletzungen oder Beschwerden können sich in abgelegenen, unzugänglichen Bergregionen zu ernsten Krisensituationen zuspitzen. Hinzu kommt das Unfallrisiko, zum Beispiel durch Sturz, Steinschlag oder Blitzschlag, wo dann oft sehr schnelles und konsequentes Handeln erforderlich ist wenn, es zu lebensbedrohlichen Verletzungen gekommen ist.

Vorgehen bei alpinem Notfall

Du solltest Dir im Klaren sein, dass vor allem Unfälle mit ernsten Verletzungen für dich als Seilpartner oder zufällig herbei eilenden Bergkameraden eine extreme Stresssituation bedeuten. Wenn Du solche Situationen regelmäßig geistig durchspielst und Dir einen Handlungsrahmen für den Ernstfall bereitlegst, ist die Chance höher, dass Du sofort das Richtige tust. Grundsätzlich solltest Du in dieser Reihenfolge vorgehen:

1. Situation erfassen

  • Besteht noch weitere akute Gefahr an der Unfallstelle (z. B. Steinschlag, Lawinen, große Kälte)?
  • Handelt es sich um einen akut lebensbedrohlichen Vorfall, wo sofortiges Handeln erforderlich ist? Oder kannst Du zuerst nochmal tief durchschnaufen und in Ruhe überlegen, am besten gemeinsam mit den Betroffenen?
  • Wenn ersteres - was ist das dringendste Problem?
  • Welche Ressourcen stehen Dir zur Verfügung (Helfer, Material)?

2. Sicherheit für alle

  • Kannst Du das Unfallopfer erreichen, ohne Dich selbst zu gefährden?
  • Falls nein - sofort weiter zu Punkt 4.
  • Wenn am Unfallort weiterhin akute Gefahr besteht (z. B. Steinschlag oder Eisschlag, Lawinen, weitere Absturzgefahr), musst Du den Verunfallten und Dich erst an einen sicheren Platz bringen und/oder ggf. sichern, bevor du ihm helfen kannst.

3. Lebensrettende Maßnahmen

Sofern es sich um einen akut lebensbedrohlichen Vorfall handelt und du alleine bist, beginnst Du als erstes mit den lebensrettenden Sofortmaßnahmen (Reanimation bei fehlenden Vitalfunktionen, Stillen starker Blutungen). Bei anderen ernsten Situationen (z. B. Bewusstlosigkeit, starke Unterkühlung) ist es ratsam zuerst die professionelle Rettung zu verständigen, falls das vor Ort möglich ist.

4. Notruf absetzen

Die internationale Notrufnummer ist die 112, die man im Alpenraum idealerweise verständigt und wo man immer an geeigneter Stelle herauskommt. Hast Du Handyempfang und ein funktionsfähiges Telefon griffbereit, solltest Du in einem ernsten Notfall so schnell wie möglich die Rettung verständigen (Achtung - Entscheidunghilfe: Notruf im Gebirge - ja oder nein?). Ideal ist es, wenn mehrere Personen an der Rettung beteiligt sind. Dann kann sich eine Person sofort um den Notruf kümmern und z. B. bei fehlendem Empfang ein Stück entfernt eine bessere Stelle suchen (und auch dort bleiben, da man oft von den Rettern bzw. der Leitstelle zurückgerufen wird), während sich die restlichen Helfer um den/die Verletzten kümmern.

Ist all dies nicht möglich sind vielleicht Hilferufe oder ein sog. alpines Notsignal mit Signalpfeife oder Lichtzeichen in der Dunkelheit erfolgreich (6 x pro Minute Signal -  eine Minute Pause - 6 x pro Minute Signal).

5. Erste-Hilfe-Maßnahmen

Im Anschluss sollte der Patient soweit versorgt und betreut werden, dass er die Zeit bis zum Eintreffen der professionellen Rettung möglichst angenehm übersteht. Das hängt sehr von der Art des Notfalls ab. Blutende Verletzungen müssen gestillt und verbunden werden. Brüche und ausgekugelte Gelenke versucht man in möglichst schmerzfreier Position zu stabilisieren. Oft wird der Verunfallte einen Schock haben, was eine entsprechende Lagerung (Liegeposition mit erhöhten Beinen) erforderlich macht. Der Schutz gegen Auskühlung ist im Gebirge fast immer erforderlich. Idealerweise bettet man den Patienten auf eine isolierende Unterlage (Kleider, Rucksäcke) und packt ihn in eine Rettungsfolie und/oder einen Biwaksack.

Erste-Hilfe-Maßnahmen in typischen Notsituationen

Um das Thema "Erste Hilfe" umfassend zu behandeln, ist der Rahmen eines solchen Artikels viel zu eng - dafür gibt es Erste Hilfe-Kurse oder die Ortovox Safety Academy. Aber auf ein paar Standardsituationen, mit denen man besonders häufig rechnen muss, möchte ich im Folgenden eingehen.

1. Versorgung einer stark blutenden Wunde

Bei stark blutende Wunden ist in der Versorgung Eile geboten. Vorrangiges Ziel ist es, die Blutung so schnell wie möglich zu stoppen und zwar durch entsprechenden Druck auf die Wunde und das verletzte Gefäß. In den meisten Fällen geschieht das mit einem Druckverband. Wie man so einen Druckverband anlegt, zeigt das folgende Video.

Sobald der Verband angelegt und die Blutung gestillt ist, geht man folgendermaßen vor:

- Nach einer starken Blutung wird der Patient meistens unter Schock stehen (kalter Schweiß, kurze Atmung). Dann bringt man ihn in eine entsprechende Lage mit erhöhten Beinen (z. B. Rucksack unterlegen).
- Ist der Patient bewustlos überprüft man seine Atmung, bei vorhandener Atmung bringt man ihn in die stabile Seitenlage.
- Beobachtung der Vitalfunktionen während man auf die organisierte Rettung wartet.

2. Unterkühlung

Unterkühlung ist eine der häufigsten Folgen bei Notfällen im Gebirge und tritt auch oft im Zusammenhang mit Verletzungen oder Blockierungen auf. So kann man zum Beispiel bei Lawinenverschüttungen selbst bei einer raschen, unverletzten Bergung des Opfers meist von einer Unterkühlung ausgehen. Im Sommer sind Wetterstürze häufige Ursachen für Unterkühlungen - das kann oft schneller gehen als man denkt. Welcher Alpinkletterer hat nicht schon selbst erlebt, wie schnell man sich mit der mitgeführten Ausrüstung verschätzt. Ein unerwarteter Regenschauer in einer Dolomitenwand oder anhaltender starker Wind bei unerwarteter Bewölkung reichen oft schon, um die gefühlte Temperatur um 20-30 Grad abzusenken und einen warmen Sommertag auf über 2500 m zu einer frostigen Sache zu machen. Mit Minimalausrüstung in der Wand sind die Energiereserven des Körpers dann schnell verbraucht. Bewegt man sich nicht, sinkt als erstes die Temperatur der Extremitäten ab, der Körperkern kühlt erst verzögert aus. Dieses Phänomen ist besonders bei Lawinenverschütteten ein großes Problem, da das kalte Blut der Extremitäten bei der ersten Bewegung zum Herzen fließt und so einen Herzstillstand auslösen kann (Bergungstod).

Symptome und Schwere der Unterkühlung

1. Phase - leichte Unterkühlung: Frieren, Zittern, blaue Lippen
2. Phase - schwere Unterkühlung: Apathie, Muskelstarre
3. Phase - lebensbedrohlich: Bewußtseinseintrübung/Bewusstlosigkeit

Maßnahmen bei einer Unterkühlung

In der 1. Phase kann und will sich die Person noch selbstständig bewegen. Mit "Hampelmann"- hüpfen (Arme und Beine werden bewegt) kann sie sich wieder erwärmen. Dazu sollte man ihr helfen, warme und trockene Bekleidung anzuziehen und etwas Warmes zum Trinken geben.

In der 2. Phase kann oder möchte sich die Person nicht mehr selbständig bewegen und dann ist auch das Blut in den Extremitäten bereits kälter als im Körperkern. Nun sollte die Person möglichst nicht mehr bewegt werden. Das bedeutet auch, dass man sie nicht mehr umzieht, sondern nur noch möglichst warm einpackt und vorsichtig auf eine isolierende Unterlage liegt oder setzt. Dazu sollte man den Notruf verständigen. Ist das nicht möglich oder in absehbarer Zeit keine Rettung zu erwarten, muss man alle Möglichkeiten ausschöpfen, die Person irgendwie langsam zu erwärmen (Wärmepackungen am Körperkern, warme Getränke, Körperwärme, Warten auf die Sonne). Wichtig ist dabei aber immer drauf zu achten, dies vom Körperkern her zu machen und das kalte Schalenblut nicht mit dem wärmeren Kernblut zu vermischen.

In der 3. Phase wird normalerweise nur noch die professionelle Rettung und die Versorgung in einer Spezialklinik eine Erfolgschance bieten.

3. Schulterverletzung

Schulterverletzungen waren in meiner bisherigen Bergsteigerlaufbahn die häufigsten Unfallfolgen. Nach unkontrollierten Stürzen beim Klettern oder Skifahren aber auch bei Spaltenstürzen waren wir schon mehrmals mit Schlüsselbeinbrüchen und Schulterluxationen ("ausgekugelte Schulter") konfrontiert. Bei einer ausgerenkten Schulter - wenn es sich um eine Person handelt, die das Problem schon öfter hatte - kann man evtl. mithelfen, diese wieder einzurenken. Ansonsten hilft nur eine Stabilisation des Armes mit einer Dreiecksschlinge und der Abtransport des Verletzten zum Arzt, in der Regel durch die Bergrettung.

Den genauen Umgang mit Schulterverletzungen erklärt das folgende Video.
 

Outdoor Erste-Hilfe-Kurse und Ortovox Savety Academy

Ortovox Savety Academy

Die Firma Ortovox - Hersteller von Outdoor- und Sicherheitsausrüstung - hat auf ihrer Website einen sehr ausführlichen Erste-Hilfe-Leitfaden für Bergsteiger erstellt, der mit zahlreichen Tutorial-Videos aufbereitet ist. Die oben eingebundenen Fotos und Videos stammen aus diesem Tutorial - herzlichen Dank an Ortovox, dass ich diese hier verwenden darf!

In dieser Ortovox Safety Academy wird das Vorgehen bei alpinen Notfällen sehr detailliert durchgespielt und es werden fast alle denkbaren Notfälle und die dabei empfohlenen Erste-Hilfe-Maßnahmen dargestellt. Der gesamte Online-Lehrgang ist zwar vorrangig auf die Bedürfnisse des Alpinkletterns abgestimmt, aber genauso für jede andere Outdooraktivität anwendbar. Das ganze ist von fachkundigen Spezialisten sehr gut aufbereitet. Schaut doch mal rein!

==> Hier gehts es zur Safety Academy

Erste-Hilfe-Kurse für Bergsportler

So ein Online-Tutorial ist schön und gut, aber noch besser läßt sich Erste-Hilfe-Wissen und Praxis in Erste-Hilfe-Kursen erwerben. Es gibts spezielle Kurse, die sich schwerpunktmäßig mit Notfällen im Gebirge auseinandersetzen. Sehr empfehlenswert sind in dieser Hinsicht die Ausbildungen von Dani Hornsteiner, die sich auf Outdoor Erste-Hilfe-Kurse spezialisiert hat und auch viele kreative Lösungen und Tipps für Unfallsituationen beim Bergsteigen, Klettern und Skitourengehen parat hat.

==> Die Kurse können direkt über Ortovox gebucht werden können.