Bergsteigen in Swanetien
Swanetien ist ein Gebiet südlich des Zentralkaukasus das lange für Touristen nicht zugänglich war. Hauptstadt von Swanetien ist Mestia südlich des Ushba. Swanetien teilt sich in Oberswanetien am oberen Ingurilauf und Unterswanetien am unteren Ingurilauf, das ehemalige Reich der Fürsten Dadeschkeliani und Didiani. Oberswanetien galt immer als nicht eroberbar und war so stets von äußeren Einflüssen verschont geblieben, was sich heute noch stark in der Lebensweise der Swanen widerspiegelt. Der Fluss Inguri entspringt am Fuss des Mt. Shkara, im Tal von Europas höchstgelegenem Dorf Ushguli und fließt durch Swanetien nach Süden in das Schwarze Meer.
Shkara (5158 m)
Unser Primäres Ziel war der Hauptgipfel des Mt.Shkara (5158 m) und dessen Südwand. Die exakte Höhenangabe des Hauptgipfels ist schwierig, da sie in den diversen Karten und Führern nicht einheitlich ist. In der russischen topografischen Karte findet sich ein Punkt 5157,8 m, der jedoch zu dem Gratzacken gehören müßte an dem der rechte Südostpfeiler endet - der Gipfel ist ca. 500 m östlich und einige Meter (vielleicht 30 bis 40 m) höher. Wir hatten auf unseren Höhenmessern 5120 bis 5130 m - wobei wir aber zwei Tage kein Nacheich-Möglichkeit hatten, weshalb diese Angaben sicher nicht exakt sind.
Das Basislager für die Südwand errichtet man am besten auf ca. 2.250 m im hinteren Ingurital. Hierher gelangt man von Ushguli zu Fuss in ca. 2 Stunden. Reist man (wie in Swanetien üblich) mit einem der geländegängigen russischen Militärlastwagen an, wird es sich der Fahrer bei entsprechenden Verhältnissen nicht nehmen lassen bis zum Basislager zu fahren. Die letzte Strecke ist zwar weg- bzw. strassenlos, was aber nicht heisst, dass es schlechter fahrbar ist als eine Georgische Norm-Gebirgsstrasse.
Die Aufstiegsrouten durch die Südwand
Die günstigste Anstiegsroute auf den Hauptgipfel des Mt.Shkara zieht sich über die "rechte Rippe" der zentralen Südwand. Zwischen dem Basislager und dem Gipfel liegen ca. 3000 Höhenmeter, was meist mehrere Biwaks in der Route erfordert. Die Südwand wird sehr selten versucht - die Seilschaften, die in den letzten 10 Jahren hier kletterten können an einer Hand abgezählt werden - über erfolgreiche Durchsteigungen ist uns in diesem Zeitraum nichts bekannt geworden. Die Schwierigkeiten hängen wie bei den meisten kombinierten Routen stark von den Schnee- und Eisverhältnissen ab. Im unteren Teil (2900 m bis ca. 3500 m) überwiegt Fels und Schrofengelände mit Schwierigkeiten im 2. und 3. UIAA-Felsgrad, einige kurze Stellen weisen den 4. Schwierigkeitsgrad auf. Darüber wechseln sich Schnee- und Eisfelder mit Steilheiten zwischen 40 und 50 Grad (kurze Stellen steiler) und kurze Felspassagen im 2. und 3. Schwierigkeitsgrad ab. Oberhalb von 4900 m führt eine relativ einfache Schneeflanke zum Gipfelgrat, der ohne große Schwierigkeiten zum Hauptgipfel weiterleitet. Die russische Bewertung für diese Route ist 5B, was neben den technischen Schwierigkeiten auch die Länge, den aufwändigen Abstieg und die relativ große Höhe mit ausdrücken soll.
Der Linke Südostpfeiler ist ebenfalls mit 5B bewertet, er weist aber stellenweise etwas höhere Felsschwierigkeiten auf und vom Ausstieg auf den Hauptgrat bis zum Hauptgipfel muss ein sehr anspruchsvoller Gratabschnitt bezwungen werden, der neben den hohen technischen Schwierigkeiten die Tour nochmal wesentlich verlängert. Aus diesem Grund (zusammen mit den deutlich größeren objektiven Gefahren durch Eisschlag) ist diese Route als anspruchsvoller einzustufen als der rechte Südostpfeiler.
Der Abstieg
Der Abstieg erfolgt entweder über die Aufstiegsroute (bei schlechtem Wetter empfehlenswert) oder einfacher aber schwierig zu finden über die Russische Seite:
Zuerst ein Stück dem Normalweg von auf die Russische Seite folgend - bei ca. 4800 m überschreitet man ein längeres horizontales Gratstück, bevor der Grat markant nach links (Norden) abknickt. Hier umgeht man den letzten Gendarm links hinab, auf einen flachen Gletscherrücken und quert dann unterhalb des Gendarms ca. 200 m nach rechts in die Ostseite, wo man einen steilen Schneerücken hinabsteigt, der immer schmaler und schliesslich zu einem Grat wird. In einer markanten Scharte seilt man nach rechts einmal 50 m ab und steigt dann den steilen Hängegletscher rechts haltend hinab in das flache Gletscherbecken ( ca. 4200 m). Im gegenüberliegenden Grat erkennt man mehrere Scharten. Direkt gegenüber des Abstiegs sind zwei relativ niedrige Scharten, die jedoch auf der anderen Seite auf den falschen Gletscher führen. Landet man in einer dieser Scharten, muss man dem sehr schmalen, z. T. überwächteten Grat etwa 1,5 km nach Westen folgen bis in eine breite Einsattelung, die auf der Nordseite im oberen Teil relativ flach ist. Auch vom Gletscher aus müsste diese Scharte über ein steiles Schnee/Eisfeld erreichbar sein. Dazu geht man den Gletscher in seiner Fliessrichtung nach Osten, bis er vor einer Steilstufe deutlich spaltiger wird, an der rechten Flanke hängt ein markanter Hängegletscher. Rechts des Hängegletschers sollte man gut zur Scharte aufsteigen können. Jenseits führt ein ca. 50 Grad steiles und etwa 400 Höhenmeter steiles Schnee/Eisfeld hinunter auf den nächsten Gletscher. Direkt gegenüber befindet sich eine sehr auffällige, tiefe felsige Scharte, die den richtigen Übergang auf den Namkuani-Gletscher darstellt. Durch eine steile (Stelle 60 °) Rinne in die Scharte und jenseits weniger steil wieder hinunter. Im oberen Gletscherbecken hält man sich ganz rechts, dann sollte man versuchen in die Mitte des Gletschers zu kommen - der untere Abbruch wird wieder rechts umgangen. Vom Gletscher-Ende am besten etwas in die Mitte und über die Mittelmoräne absteigen - rechts sind Felsabbrüche. Über diese Route kann man den Shkara technisch etwas einfacher besteigen als über die Südwand. Dies ist ein langes Unternehmen für sichere Eisgeher. Es müssen mehrere Eiswände mit Steilheiten zwischen 45 und 60 ° durchklettert werden. Konditionsstarke Bergsteiger sollten für diesen Weg 3 - 4 Tage einplanen.
Weitere Ziele im Ingurital
Neben der ca. 2200 m hohen Shkara-Südwand sind von hier aus noch einige weitere Ziele lohnenswert.
Shkara-Südwestgipfel (4315 m)
Auf diesen, dem Hauptkamm südlich vorgelagerten Gipfel führen mehrere Routen, unter anderem der rechte Ostpfeiler, eine nette kombinierte Gratkletterei im Schwierigkeitsgrad 3c (Fels UIAA bis 3, oben schöner Firngrat) - als Tagestour von Zeltplatz am Gratbeginn problemlos möglich.
Namkuami (4233 m)
Am lohnendsten dürfte hier der Normalweg sein - eine schöne, klassische Hochtour, die für konditionsstarke Bergsteiger vom Basislager als Tagestour machbar ist. Die Schwierigkeiten beschränken sich hier auf den zerklüfteten Gletscher und das letzte, schmale Gratstück.
Ebenfalls möglich ist der Westpfeiler, eine mäßig schwierige Felstour, die jedoch auch mäßige Felsqualität bietet. Für diese Tour empfiehlt sich ein Biwak am Gletscherende.
Mt. Ushguli (4632 m)
An diesem felsigen Bollwerk existieren mehrere Routenmöglichkeiten, die Fels- und Kombikletterei bis zum 6. russischen Schwierigkeitsgrad bieten. Nach unserer Einschätzung beschränken sich die Schwierigkeiten vor allem auf den unteren Teil, wo steiler, teilweise ganz ansehnlicher Fels im vermutlich 4. und 5. UIAA-Schwierigkeitsgrad wartet. Wer für den Abstieg noch nicht genug hat, der kann noch den wirklich schönen Grat nach Osten überschreiten, bis zu der Scharte über der man auch vom Shkara-Abstieg muss (siehe Skizze oben).
Ailama (4547 m)
Dieser Berg bringt die Augen der einheimischen Bergsteiger zum Leuchten und stellt vom Alpinlager Sess'cho aus angeblich das schönste Ziel dar. Die Westwand weist drei markante Granitpfeiler auf, die hervorragende Kletterei im 5. und 6. Schwierigkeitsgrad bieten sollen. Der Höhenunterschied vom Einstieg zum Gipfel beträgt jeweils ca. 1000 m - für schnelle Seilschaften ist das ganze bei guten Verhältnissen an einem Tag vom Plateau aus möglich, was natürlich den Materialaufwand deutlich reduziert. Üblicherweise errichtet man am Plateau ein Lager. Auch der Normalweg soll eine interessante mittelschwierige Hochtour sein. Daneben sind in der Ailama-Region noch weitere Routen machbar - unter anderem wieder der Hyam-Kyam und sein südlicher ebenfalls über 4000 m hohe Nachbar, die beide mittelschwierige Hochtouren darstellen. Direkt an der Strasse Sess'cho - Ushguli stehen noch die Ruinen des ehemaligen Alpinlagers Ailama. Hier gibts gute Zeltplätze - man kann aber auch gleich zum Gletscherplateau aufsteigen - die 1600 Höhenmeter erfordern einen guten halben Tag.
Weitere Ziele vom Alpinlager Sess'cho aus
Vom Alpinlager aus gibts einige längere Tagestouren, die jedoch mehr als anspruchsvolle Wanderungen, denn als Hochtouren bezeichnet werden können, wie z. B. der Pik Sess'cho 3798 m (Südgrat 2.UIAA-Grat, Abstieg über Gletscher). Die Tetri Uznovi 4049 m ("Weisse Unbekannte") ist eine einfache Hochtour, wobei man über die Südseite einige kurze mittelschwierige Routen wählen kann. Als Tagestour von Sess'cho ist der Anstieg aber schon etwas zu lang. Üblicherweise stellt man am Übergang auf das Gletscherplateau sein Zelt auf - dort gibts im Schotter sehr gute Zeltmöglichkeiten. Anspruchsvoller und länger gehts dann an den beiden Gipfeln westlich zur Sache. Genaue Informationen zu den einzelnen Routen erhält man in Sess'cho.
Mt. Ushba (4710 m)
Das bergsteigerisch interessanteste und vielseitigste Ziel in Swanetien stellt der Ushba dar. Hier exisiteren viele Routen im 5. und 6. Russischen Schwierigkeitsgrad. Allerdings muss man die Reise hier von Oberswanetien organisieren. Sobald wir nähere Infos haben, gibts diese natürlich ebenfalls hier.