Jubiläumsgrat - na endlich!
"Wann warst du das letzte mal auf der Zugspitze?" fragte mich vor einiger Zeit eine gute Bekannte. Etwas verlegen antwortete ich "Da war ich noch nie". Ihren erstaunten Blick kanzelte ich mit der knappen Bemerkung "... hat sich bis jetzt nicht ergeben" ab. Eigentlich fand ich es selbst erstaunlich, dass ich dem immerhin höchsten Berg Deutschlands bisher noch nicht aufs Haupt gestiegen bin. Allerdings gab's auch wenig, was mich daran reizte. Von weitem mag die Zugspitze ja ganz markant aussehen, aber den Gipfelaufbau kannte ich von Fotos. Und das ist nicht das, was ich suche. Kletterrouten gibt's keine interessanten und als Skitour wäre eine Besteigung - zumindest ungewöhnlich und anspruchsvoll und man müsste durchs Skigebiet. Die einzige Tour*, die mir natürlich im Freundeskreis permanent zu Ohren kommt und bisher tatsächlich eine alpinistische Bildungslücke meinerseits darstellte, ist der Jubiläumsgrat - eine Mischung aus Alpinwanderung, Klettersteig und leichter Kletterei. Aber der wird üblicherweise von der Seilbahnstation vom Gipfel abwärts begangen. Als bekennender Bergbahn-Verweigerer kommt das für mich nicht in Frage und eine Besteigung der Zugspitze wäre das ja auch nicht. Von daher musste es sich tatsächlich "irgendwie ergeben", den Jubiläumsgrat, in welcher Form auch immer, mal bis zu Zugspitzgipfel zu begehen.
Plötzlich ist es soweit
Am Wochenende ist meine Tochter zusammen mit einer Freundin in der JuBi in Hindelang für eine Ferienwoche angemeldet. Deren Bruder mit Freund muss ebenfalls dorthin und so wird beschlossen, dass jemand die Kinder mit dem Auto ins Allgäu kutschiert. Dieser Jemand soll ich sein. Damit die 3stündige, öde Allein-Heimfahrt auf zwei Etappen gestückelt wird, beschließe ich unterwegs zu übernachten und das 35 Grad heiße aber gewitterfreie Wetter am Montag mit einer Bergtour zu nutzen. Das Wetterstein liegt praktischerweise auf halber Strecke. Sonntagabend 17 Uhr ist Treffpunkt in Bad Hindelang. Das reicht für mich, um noch bis Garmisch zu fahren und bei den kühleren Abendtemperaturen durch die Höllentalklamm zur Höllentalangerhütte aufzusteigen.
Montag 6 Uhr morgens, Höllentalangerhütte
Die ersten Aspiranten brechen Richtung Höllentalferner auf, um über den "Normalweg" auf die Zugspitze zu steigen. Ich schere gleich an der Brücke nach der Hütte links aus und steige durch das einsame und am Morgen komplett schattige Mattheisenkar hinauf in die Grieskarscharte. Im unteren Teil ist es ein normaler Wanderweg, das letzte Stück hinauf in die Scharte gibt dann schon einen Vorgeschmack auf den Jubigrat: immer wieder Drahtseile, steiles Gras- und Felsschrofengelände, teils geröllbedeckt. Nach diesen ersten 1100 Höhenmetern gibts um 8 Uhr in der Scharte erstmal ein zweites Frühstück. Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen, dafür der Gipfel der Zugspitze. Sieht noch recht weit weg aus.
Der Jubiläumsgrat beginnt
Nachdem er in den meisten Fällen nur im Abstieg begangen wird, ist auch die Markierung darauf ausgelegt. Das heißt, dort wo der Wegverlauf (im Abstieg) logisch erscheint, gibts oft keine Markierungen. Im Umkehrschluss heißt das aber, dass man manchmal Übergänge über den Grat von unten kommend nicht auf Anhieb erkennen kann. Meistens reicht es, wenn man auf die deutlichen Begehungsspuren achtet. Sobald man im nicht abgekletterten Fels ohne Steigeisenkratzer unterwegs ist, sollte man stutzig werden und nach dem richtigen Weg Ausschau halten. So gilt es von "unten" kommend vor allem den richtigen "Einstieg" zu finden. Man peilt einen markanten Gratabsatz am Nordwestgrat des Hochblassen an. Dort ist dann auch eine erste Markierung und jenseits das erste Drahtseil, das in der Westseite abwärts führt.
In der Folge wechseln einfache "Wanderpassagen" auf gut ausgetretenen Steiglein durch Geröllhalden mit drahtseilversicherten Stellen (Klettersteigschwierigkeit meist A und B, wenige Stellen C, vielleicht ganz kurz auch mal C/D) und vereinzelten leichten Kletterpassagen im 1. und 2. Schwierigkeitsgrad ab. Noch bevor es richtig heiß wird, bin ich gegen viertel nach 10 Uhr an der Biwakschachtel. Hier gibts nochmal eine kleine Brotzeit und die erste meiner zwei Flaschen Wasser ist leer. Die Biwakschachtel ist richtig geräumig und komfortabel mit Matratzen und Decken eingerichtet, man könnte also recht bequem übernachten wenn man die Tour nicht in einem Zug schafft.
Der Weiterweg zur Zugspitze
Um halb 11 mach ich mich wieder auf den Weg und jetzt kommen mir auch ein paar Leute entgegen. Der Grat geht weiter wie gehabt, in stetigem Auf und Ab über unzählige Erhebungen und Gipfel, mal mit Drahtseilen, dann wieder richtig zum Klettern. Langsam wird es anstrengend. Die Hitze, mehrere Stunden Gehzeit und inzwischen auch die Höhe von 2600 - 2900 m sorgen dafür, dass ich einen Gang zurückschalten muss. Angeblich soll jetzt noch irgendwo eine 3- Stelle ohne Drahtseile kommen. Ich finde sie nicht - für mich fühlt sich alles ziemlich gleich an. Nachdem der Gipfel der Zugspitze eine Zeit lang kaum näher zu kommen scheint, stehe ich urplötzlich auf dem Vorgipfel und wenige Meter danach mündet der Höllentalaufstieg ein, über den laufend Menschen aufsteigen. Ich gehe 20 Meter zurück um das letzte Eck, setze mich auf den Grat und mach erstmal noch in Ruhe Mittagspause.
Ab ins Getümmel
Auf den letzten paar Metern des Höllentalaufstiegs überhole ich mehrere Normalweggeher, das heillos von Selfie-Freaks blockierte Drahtseil zum Gipfelkreuz umklettere ich links, schlage am Kreuz an, mach noch kurz ein paar Fotos von dem Gewusel und suche mir dann den Weg durch die Menschenmassen zum Münchner Haus. Nachdem mein Wasser inzwischen aufgebraucht ist, kaufe ich mir dort schnell was zu trinken - und dann nichts wie weg hier.
Abstieg zum Eibsee
Zuerst steige ich auf dem immer noch stark frequentierten Weg in Richtung Zugspitzplatt ab und zweige dann nach rechts in Richtung Wiener-Neustädter-Hütte ab. Über den Stopselziehersteig geht es erst durch unschöne Schutthalden, dann über geneigte, mit Drahtseilen gesicherte Platten hinab zur Hütte. Jetzt am Nachmittag steigen hier kaum noch Leute auf und so wird es immer einsamer, je tiefer ich komme. An der Hütte genehmige ich mir nochmal eine Apfelsaftschorle, und dann wandere ich hinab zum wieder sehr belebten Eibsee. Mit der Zugspitzbahn gehts zurück nach Hammersbach.
Fazit: Der Jubiläumsgrat ist landschaftlich eine tolle Bergtour, eine Mischung aus Alpinwandern, Klettersteig und leichtes Klettern. Die Hauptanforderung besteht neben der Kondition (insgesamt summieren sich die Aufstiege auf gut 2000 Hm) darin, sicher und zügig in dem meist absturzgefährlichen Gelände unterwegs zu sein. Der Gipfel ist dafür sogar noch gräßlicher und überfüllter als ich erwartet hatte - aber klar es ist Hochsaison und perfektes Wetter, da ist es vermutlich fast egal ob Wochenende oder Montag ist. Immerhin war ich jetzt oben und muss da nicht nochmal hin ;-).
Infos zur Tour
Hinweis zu den folgenden Zeitangaben: Dabei gehe ich davon aus, dass keinerlei Sicherung benötigt wird (weder Klettersteigset noch Seilsicherung). Die erste Zahl der oben genannten Zeitangaben ist die Zeit die ich benötigt habe. Wer sich mehr Zeit lässt (2. Zahl), kann die Tour ebenfalls an einem Tag schaffen. Wer an der Grieskarscharte merkt, dass ihm die angegebenen Zeiten zu sportlich sind, dem empfehle ich entweder eine Übernachtung in der Biwakschachtel - oder als Ersatzziel die Alpspitze. Ich bin kein Hochleistungssportler - daher können die Zeiten von gut trainierten und geländegängigen Ausdauerathleten auch mehr oder weniger deutlich unterboten werden. Wer jedoch anfängt, auf der Tour zu sichern, wird deutlich länger brauchen und eine Eintagesbegehung dürfte schwierig werden. Umfassende alpine Erfahrung ist also Grundvoraussetzung für die Tour!
- Hammersbach - Höllentalangerhütte 1,5 bis 2 h (einfacher Wanderweg, Höllentalklamm kostet für DAV-Mitglieder 2 Euro)
- Höllentalangerhütte - Grieskarscharte 2 bis 2,5 h (erste Hälfte einfacher Wanderweg, dann teils mit Drahtseil gesicherter Bergsteig, Klettersteigschwierigkeit A und B, kurze Stellen evtl. C) und kurze Kletterstellen im 1. Grad
- Grieskarscharte - Höllentalgrat-Biwakschachtel 2 bis 3 h (schwierige Stellen meist mit Drahtseilen gesichert, Klettersteigschwierigkeit meist A und B, längere Stellen auch C, kurze Passagen evtl. C/D - dazu einige Kletterstellen ohne Seil bis zum 2. Schwierigkeitsgrad)
- Höllentalgrat-Biwakschachtel - Zugspitze 3 bis 4 h (viele Schrofenpassagen im 1. und 2. Grad, teils auch hier noch Drahtseile oder Eisenstifte, aber eher weniger als im ersten Teil, dafür etwas mehr und längere Kletterpassagen im 2. Grad - bei richtiger Wegführung kaum schwerer, aber wer sich verhaut kann auch schnell in brüchiges 3er Gelände kommen).
- Abstieg zur Wiener-Neustädter Hütte 1 - 1,5 h (ab der Abzweigung vom Platt-Weg unguter Schotter mit Steinschlaggefahr, danach meist Drahtseile mit Schwierigkeit A und B, zuletzt Schuttfeld zum Abfahren).
- Wiener-Neustädter-Hütte - Eibsee 1,5 bis 2 h (Wanderweg)
Logistik: Ausgangspunkt ist Hammersbach bei Garmisch (Haltepunkt der Zugspitzbahn, großer und teurer Parkplatz). Vom Eibsee fährt ebenfalls die Zugspitzbahn wieder nach Garmisch über Hammersbach. Die Tour eignet sich also gut für eine Anreise mit Öffis, allerdings fährt die letzte Bahn am Eibsee um 18.15 Uhr ab. Das Deutschlandticket gilt leider nicht auf der Strecke Eibsee-Grainau, hierfür muss man eine extra Karte lösen.
*Anmerkung: tatsächlich gibts inzwischen noch eine weitere Route, die ich mir als Aufstieg auf die Zugspitze vorstellen könnte: die Route "Eisenzeit" in der Westflanke.