Allein unter Russen
Bergabenteuer zwischen Alpen und Sibirien
Titel: Allein unter Russen
Autor: Robert Steiner
Verlag: Panico-Alpinverlag
Seitenzahl: 374
Preis: 12,80 €
Für wen: Bergsteiger, Abenteurer, Reisebegeisterte
Wo: online beim Panico-Alpinverlag
Rezension
Die Alpinisten aus dem Osten haben im verwöhnten Westdeutschland einen ganz speziellen Ruf. Zum einen waren da schon immer die Sachsen mit ihrer Vorliebe, sich alle nur vorstellbaren Körperteile in grausligen Sandsteinrissen abzuschmirgeln, labbrige Knoten in Risse zu stopfen, anstatt sich der geniale Erfindung von Friends und Klemmkeilen zu bedienen und statisch fragwürdige Menschenpyramiden zu bauen, um auf ihre Gipfel zu kommen. Dann kamen nach der Öffnung des eisernen Vorhangs die Tschechen mit selbst genähten Klettergurten und Kletterschuhen aus Lastwagenreifen, um - bevorzugt im Winter und nach Biwak auf dem Parkplatz - die berühmtesten und berüchtigtesten Alpenrouten abzuknipsen, wie der Durchschnittskletterer die 5c's auf Kalymnos.
Eine weitere Steigerung sollen die russischen Bergsteiger sein - aber nachdem ihnen die Alpen wohl zu popelig sind und sie kaum weiter nach Westen als bis zur Bezengimauer im Kaukasus vordringen, kennt man sie hierzulande nur vom Hörensagen. "Allein unter Russen" heißt das neue Buch von Robert Steiner. Bereits mit seinen beiden vorangegangenen Büchern "Selig wer in Träumen stirbt" und "Stoneman" bewies er, dass er nicht nur gut bergsteigen und vor allem unglaublich zäh sein, sondern auch sehr unterhaltsam von seinen Abenteuern berichten kann. Daß er in den letzten Jahren öfter mit einigen Bergsteigern aus Krasnojarsk in Sibirien ("Was der Welt die Russen, sind den Russen die Krasnojarsker Bergsteiger") unterwegs war hat sich auf die Qualität der Erlebnisse zusätzlich positiv ausgewirkt. Und den amüsanten Schreibstil konnten offensichtlich auch die diversen Alkoholika (von Sherry über Wodka bis hin zu Industrialkohol), die in den russischen Expeditionen zur Grundausrüstung gehörten, nicht negativ beeinflußen. Es geht in dem Buch aber nicht nur um kaum vorstellbare, oft mehrwöchige Winterexpeditionen in elendiger Kälte mit den zugehörigen Trinkgelagen. Ganz im Gegenteil. Steiner schildert beispielsweise viele lustige Erlebnisse aus einer Kindheit, wie er sein Eltern dazu zwang, ihn zum Bergsteigen mitzunehmen oder wie er Neugier und Entdeckerlust mit und an seinen Spielkameraden "ausprobierte". Auch das klassische Bergvagabundenleben, das z. B. beim Kollegen Malte Roeper in vielen Erzählungen breiten Raum einnimmt kommt nicht zu kurz.
Der rote Faden vieler Geschichten handelt vom chronischen Geldmangel und dem daraus zwangsläufig notwendigen Einfallsreichtum, um scheinbar trotzdem pausenlos zwischen Chamonix, Yosemite und Tien-Shan klettern und bergsteigen zu können. Daneben fällt besonders auf, dass sich der Autor viel mit gesellschaftlichen und politischen Themen auseinandersetzt und auch nicht davor zurückschreckt, in die Geschichten einfließen zu lassen. Dadurch schafft er sich einen ganz eigenen Stil alpiner Geschichten, der weder ausschließlich auf (lustige oder dramatische) Anekdoten, noch auf heldenhafte Expeditionsberichte angewiesen ist. Der soziale Kontext, die Begegnungen, die Menschen, Kulturen und Landschaften sind dabei mindestens genauso wichtig wie die Leistungen und die Leiden der Bergsteiger. Fazit: Sicherlich eines der aktuellen Highligts deutschsprachiger, alpiner Literatur. Ein Buch das nicht nur Bergsteiger und Kletterer in den Bann zieht, sondern das jeder mit Sinn für Natur, Abenteuer und Freiheit nicht mehr aus der Hand legen wird, bevor er nicht die letzte Seite gelesen hat.