Produkttest Marker Kingpin

Skitourenbindung Marker Kingpin

Leichte Skitourenbindung im Praxiseinsatz

Ich habe die Marker Kingpin von der Firma Bergzeit im Rahmen einer Kooperation zur Verfügung gestellt bekommen, um einen Testbericht für einen Tourenski zu schreiben. Nach einer Saison im Gebrauch ist es jetzt Zeit, meine Erfahrungen mit der für mich neuen Tourenbindung zusammenzufassen. Die Bindung ist auf dem K2 Wayback 88 ECOre 2016/2017 montiert, der mit einer Skibreite von 88 mm unter der Bindung im klassischen Tourensegment anzusiedeln ist. Ich selbst bin reiner Skibergsteiger ohne Ambitionen fürs Pisten- oder Freeridefahren und mit rund 75 Kilogramm Gewicht wohl ziemlich im Durchschnitt der Nutzer. Der Z-Wert meiner Bindung steht bei 7,5. Ich habe mit der Bindung in der ersten Saison über 50.000 Höhenmeter im Aufstieg und in der Abfahrt zurückgelegt.

Die Handhabung

Auf den ersten Blick erscheint die Kingpin wie ein Zwitter aus klassischer alpiner Pistenbindung mit kraftvollem Fersenbacken und einer bergsteigertauglichen Pin-Bindung ähnlich dem Original der ehemaligen Low-Tech-Bindung, später Dynafit.

Das Einsteigen in die Bindung erfolgt in gleicher Weise, wie bei den meisten anderen Pin-Bindungen: zuerst vorne die Stifte einfädeln, dann durch Druck mit dem Schuh nach unten den Federmechanismus auslösen, damit der Vorderbacken zuschnappt. Durch die individuell einstellbaren Anschlagstifte ist dieses Einfädeln "gefühlt" noch etwas einfacher als bei meiner Vergleichsbindung des Wettbewerbers. Für die Verriegelung im Aufstieg muss der Arretierhebel kräftig nach oben gezogen werden. Mehrmals ist es mir passiert, dass ich wohl zu lasch gezogen hatte und sich die Bindung im Aufstieg (i.d.R. bei Spitzkehren) geöffnet hat. Bei meiner Vergleichsbindung hingegen passierte es mir mehrmals, dass der Schuh den Arretierhebel nach unten drückte und sich so die Bindung öffnen konnte - das ist bei der Kingpin nicht möglich.

Das Umstellen von Aufstieg auf Abfahrt erfolgt durch einen einfachen Klapphebel und ist ohne Kraftaufwand möglich. Sofern sich ein Eisklumen unter der Ferse gebildet hat, muss man den erst (z. B. mit dem Skistock) herausschlagen. Die Umstellung läßt sich auch durchführen wenn sich der Schuh noch im Vorderbacken befindet. Die Ferse arretiert man ganz einfach durch Runterdrücken, wie bei einer Alpinbindung. Zur Not (allerdings mit kräftigem Runtertreten) funktioniert das auch, wenn der Hinterbacken nicht geöffnet ist. Zum Aussteigen aus der Bindung reicht es meistens, den Vorderbacken zu öffnen. Wenn sich unterhalb diesem etwas pappiger Schnee gesammelt hat, kann das gelegentlich Probleme bieten, dann öffnet man am besten auch noch den Hinterbacken. Das ist jedoch mit leichten Tourenskistöcken bereits bei dem von mir eingestellten Z-Werten "zäh" und ich hab jedesmal Angst mir den Stock abzubrechen.

Aufstiegseignung

Mit einem Bindungsgewicht von 730 Gramm (inkl. Skistopper) ist die Marker Kingpin unter den Pinbindungen eine der (wenn nicht die?) Schwerste(n). Verantwortlich ist dafür in erster Linie der klobige Fersenbacken. Nachdem man diesen aber im Aufstieg nicht heben muss, sondern auf dem Ski nur "mitschleift" fällt es weniger auf als befürchtet, zumindest solange die Spur nicht allzu steil ist. Je länger die Tour und je steiler der Anstieg ist,  umso mehr wirkt sich hingegen das Bindungsgewicht aus. Gegenüber einer Rahmenbindung punktet die Kingpin dafür zusätzlich mit dem angenehmen Drehpunkt. Die zweistufige Steighilfe ist für meine Bedürfnisse mehr als genug. Nachdem ich beim Spuren generell ohne Steighilfe unterwegs bin, verwende ich in vorhandenen steilen Spuren höchstens die erste Stufe. Leider sind die Drehmechanismen der Steighilfen so locker, dass sie bei stärkerem Stampfen auf den Boden (z. B. bei pulvrig-rutschiger Spur) desöfteren ungewollt nach vorne klappen. Das ist manchmal etwas nervig und ließe sich m. M. nach vom Hersteller sehr einfach beheben.

Abfahrtseignung

Der opulente Fersenbacken der Marker Kingpin muss ja auch seinen Sinn haben, und der kommt jetzt bei der Abfahrt zum Tragen. Gegenüber den beiden dünnen Stiften der herkömmlichen Pin-Systeme wirkt hier der Kraftschluss des gesamten Backens auf den Schuh, weshalb eine deutlich bessere Kraftübertragung gewährleistet ist und die Ski das machen, was sie sollen wenn sich der Fahrer richtig anstellt. Insgesamt hatte ich ein sehr sicheres Gefühl mit der Bindung. Die paarmal wo sie auslösen sollte hat sie das auch getan. Ich hatte genau eine Auslösung, die man vielleicht als Fehlauslösung interpretieren könnte: als ich bei niedrigem Tempo an einem verschneiten Lawinenboller hängengeblieben bin und mir trotz recht geringen seitlichen Widerstands die Bindung aufging. Genau bei dieser Aktion hat sich allerdings der Skistopper nicht sofort geöffnet, wohl weil pappiger Schnee unterhalb war. Der Ski hat dann erstmal Fahrt aufgenommen und nach der ersten Sprungschanze ist der Stopper bei der Landung aufgeklappt und der Ski in der Folge liegen geblieben.

Langlebigkeit und Verschleiß (Update am Ende der Lebensdauer)

In der ersten Saison konnte ich dazu noch nicht viel sagen, daher nun ein kurzes Resümee nach etwa 150000 Höhenmeter: Etwa zwei Saisonen war ich sehr zufrieden mit der Bindung, dann kamen aber schon die ersten Zipperlein. Als erstes begann die Steighilfe immer lockerer zu werden. Ein etwas kräftigeres Stampfen auf den Schnee, zu Beispiel weil man die Kanten in einen Windharschdeckel schlagen wollte, genügte oft schon, um die Steighilfe unbeabsichtigt raus oder reinklappen zu lassen. So nach und nach kamen weitere kleine und größere Problem hinzu. Der Skistopper klappte immer wieder während des Aufstiegs aus, was sehr lästig ist, da man dann aus der Bindung steigen muss, um ihn wieder festzudrücken. Allgemein bekam der gesamte Hinterbacken irgendwann zunehmend etwas Spiel und man hatte nicht mehr das Gefühl, dass der Schuh so super-kompakt saß wie am Anfang. Den Ausschlag, die Bindung endgültig auszusondern gab dann ein Erlebnis am Vogelsang - einem Pistentourenberg am Sudelfeld. Beim Aufstieg über die harte Buckelpiste (ohne Harscheisen) musste ich immer wieder die Kanten mit Wucht seitlich in den Schnee schlagen. Dabei ist mir mehrmals der Schuh aus den Pins am Vorderbacken gesprungen und ich schaffte es nicht, so zu verriegeln, dass die Pins zuverlässig hielten. Am Schuh (Scarpa Maestro) lag es sicher nicht, der war noch fast neu.

Vorteile und Nachteile auf einen Blick

+ Sehr solide, ansprechende Optik und Haptik
+ Für eine Pin-Bindung komfortabler Einstieg
+ bequemes Umstellen von Aufstieg auf Abfahrt
+ gute Kraftübertragung bei der Abfahrt.
+ relativ zuverlässiges Auslöseverhalten

- mit 730 g (inkl Stopper) nicht superleicht.
- kleine Komforteinschränkungen beim Aussteigen
- Steighilfen klappen sich teils ungewollt ein
- Skistopper kann Dienst u. U. versagen
- Pin-Brüche sind in der Vergangenheit offensichtlich (wenn auch sehr selten) vorgekommen.

Fazit (nach Ende der Lebensdauer): Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen kann ich die Marker Kingpin vor allem Gelegenheitstourengehern empfehlen, denen es nicht aufs letzte Gramm Gewicht ankommt emfpfehlen. Bei intensiver Beanspruchung durch Vielgeher sind andere Bindungen m.E. eher etwas langlebiger.

==> Marker Kingpin bei Bergzeit bestellen