Winterklettern und Rodeln an der Krettenburg
Ungewöhnliche Zustiegsvariante zum Sportklettern
Ganze 6 % relative Luftfeuchtigkeit meldet die Wettestation am Hohen Sonnblick für diesen Freitag, kein Wind und strahlender Sonnenschein. Das wäre natürlich geniales Skitourenwetter - wenn genug Schnee liegen würde. Leider türmen sich in den Voralpen die Schneeflocken kaum irgendwo höher als knietief - oft sogar nur mausknietief. Also Südwandklettern - man muss die Bedingungen nutzen wie kommen! Ein paar Freunde lassen sich noch für diese Idee begeistern und wir beschließen, der Krettenburg mal wieder einen Besuch abzustatten. Zu unserer Überraschung vermeldet die Obere Firstalm gute Rodelbedingungen für die Schlittenbahn zum Spitzingsattel, so dass wir die Rodeln auch noch einpacken.
Am Ausgangspunkt ist es im Schatten knackig kalt. Bei frostigen -6° Celsius werden schon beim Schuhbandl binden werden die Finger kalt. Schwer vorstellbar, dass man heute gemütlich klettern kann. Nach fünf Minuten Aufstieg entlang der schneebedeckten Rodelbahn kommen wir in die Sonne und können bald die warmen Jacken in den Rucksack packen. An der Oberen Firstalm angekommen, entdecken wir die Spur vom Tom und folgen ihr entlang der üppigen Markierungen, die uns die eifrige Wegewartin der örtlichen AV-Sektion in ihrer Begeisterung für den Klettergarten während einer unserer Sanierungsaktionen angesprüht hat. Der Aufstieg zum Balkon ist stellenweise schneebedeckt und rutschig, etwas Vorsicht ist angesagt. Oben auf dem aussichtsreichen Sonnenband angekommen heißt es erstmal "ausziehen". Der Fixstern strahlt herunter und trotz der geringen Lufttemperatur ist es am Fels angenehm warm, perfektes T-Shirt-Wetter.
Tom hängt bereits am Fixseil an der Wand unterhalb des Bandes und putzt eine neue Linie. Nach einer kurzen Begrüßung schreit er herauf "Habts ihr an Hammer dabei?". "Na, an Hammer hamma ned!" Wir hatten auch gar nicht geplant etwas zu bohren, sondern zur Abwechslung mal nur zu klettern und der von Tom liegt im Kofferraum am Parkplatz, 45 Minuten tiefer. Aber die Schwerlastanker lassen sich dann auch mit einem Stein ins Bohrloch klopfen: "Des is ja wie beim Campen". So gibts wieder ein weiteres Projekt an der Wand - es sollte nicht das letzte für heute bleiben.
Stefan, Laura und ich beschließen uns in der Route Synkopia aufzuwärmen. Diesen klasse Klassiker von Martin Häusler hatte ich im letzten Jahr saniert, danach aber nicht mehr geklettert, so dass eine erneute Begutachtung im Vorstieg interessant wäre. Gleich am Einstieg hängt noch eine hohle Schuppe, die man zwar nicht unbedingt verwenden muss, die aber doch dazu einlädt, sich daran festzuhalten. Wir beschließen sie zu entfernen, zumindest den unteren, nicht verwachsenen Teil. Allerdings erst beim nächsten Mal, wenn wir einen Hammer dabei haben. Ansonsten passt die Sanierung unserer Meinung nach und der neue Linksausstieg hat noch ein paar lässige Moves parat. Beinahe wäre ich dort rausgeflogen, als sich ein Tritt in Richtung Einstieg verabschiedet. Aber just in dem Moment als meine Füße ins Freie pendeln, habe ich den Henkel schon in der Hand.
Stefan nutzt das hängende Toprope anschließend, um eine neue Linie an der linken Kante zu checken, die sich als Zustieg zu einer bereits gebohrten weiteren Ausstiegsvariante der Synkopia eignen könnte. Er kann auf Anhieb eine kletterbare Sequenz finden und schnappt sich kurzerhand Toms Maschine um die fehlenden drei Haken zu setzen. So viel zum Thema "heute wollen wir nur klettern"... und es gibt nochmal ein neues Projekt. Ein Durchstiegsversuch scheint hingegen heute nicht ratsam, da im Ausstiegsüberhang Schmelzwasser herausdrückt.
Laura und ich schauen uns danach die brandneuen "Kräuter der Provence" von Tom und Axel an (7-, evtl. auch 7), wo ich das Anklettern des zweiten Hakens unangenehm finde. Der flachere Mittelteil darf darüberhinaus noch ein paar Regengüsse über sich ergehen lassen, um den Dreck rauszuwaschen. Dafür werden wir mit feiner Henkelkletterei zum Umlenker belohnt.
Tom empfiehlt uns die Linie einige Meter rechts davon über die steile Kante. "Rainbow Warrier" soll 8- sein und sieht spektakulär aus. Sie startet technisch mit Plattengeschiebe über die Route "A wene kurz, a wene lang" und kurz nach der Abzweigung stehe ich vor der Crux. Ich merke, dass es über einen Monat her ist, dass ich das letzte Mal klettern war und anstatt selbstbewusst durchzuziehen, hample ich planlos herum und setze mich dann in den Haken. Die Ausrede eines nassen Griffes gilt nicht, denn beim nächsten Versuch stört dieser keineswegs. Trotzdem geht mein Plan, an einen Seitgriff mit Links zu schnappen, nicht auf und entpuppt sich als Sackgasse. Dafür hab ich endlich den richtigen Griff erspäht. Beim nächsten Versuch ergibt sich die Sequenz und ich klettere nach links zu einem guten Untergriff um zu rasten. "Wo ist jetzt der nächste Bolt" fluche ich irritiert. Der versteckt sich so ums Eck dass er erst sichtbar wird, wen ich mich an beiden Händen ganz nach hinten lehne. Sobald ich aber zum Klippen mit einer Hand loslasse, kann ich mich nicht mehr so weit hinauslehnen und sehe ihn nicht. Erst nach längerem Herumtasten kann ich endlich einhängen. Die letzten Meter zum Umlenker sind dann steil aber großgriffig und leichter als unten. Ob 8- passen könnte? Keine Ahnung, erstens bin ich sie ja nicht durchgeklettert und zweitens verliere ich nach einigen Wochen Kletterpause komplett mein Bewertungsgefühl, aber ich finde den Unterschied zur Synkopia fast noch etwas größer. Tom meint, dass man an der Crux auch rechts klettern kann (daher der "versteckte" Haken), aber dann wird es wohl eher 8+.
Als die Sonne langsam verschwindet boldert Stefan nochmal in seinem richtig schweren Projekt oben am Band. Laura und ich schauen uns dafür die Kurzrouten daneben an, von denen wir weder Namen, noch Bewertungen und auch nichts vom Erschließer wissen. Auf alle Fälle sind sie schwerer als sie aussehen und besonders die linke Route ist trotz ihrer Kürze von vielleicht sieben Metern durchaus nett. Dass der Umlenkhaken in einem nicht 100%ig verwachsenen Block klebt, gefällt einem zweifachen Familienvater hingegen weniger.
Nun wird's sehr schnell kalt. Wir packen unsere Sachen zusammen und machen uns an den Abstieg. Ein altes Seil, das wir schon länger deponiert haben, knüpfen wir als Fixseil in die Bäume an der Rampe und beschließen, es beim nächsten Mal noch ein Stück nach unten zuverlängern. Bei etwas mehr Schnee könnte diese Passage heikler sein. An der Firstalm angekommen, sparen wir uns den Glühwein am extra aufgebauten Stand für heute, da Stefan und ich ohnehin noch auf eine Punschparty fahren.
Wir satteln unsere Schlitten zur Abfahrt, betrachten allerdings etwas irritiert die dauerhaft rote Ampel am Beginn der Rodelbahn. Irgendwann starten wir dann doch und halten Augen und Ohren offen, weil wir permanent mit einem entgegenkommenden Versorgungsfahrzeug rechnen. Die Bahn läuft perfekt. Kein Eis aber fester, griffiger Schnee. Nur auf den letzten Metern werden bereits die Steine sichtbar. Am Spitzingsattel angekommen steht dann auch das Versorgungsfahrzeug - der Fahrer hockt vermutlich auf der anderen Straßenseite im "Stüberl" bei der dritten Halbe.
So endet ein genialer Tag, an dem alles gepasst hat: Leute, Wetter, Klettergebiet und vor allem der Abstieg. Können wir gerne wiederholen!